Strohkendl, Dominik, Das Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten vom 14. April 1851 – Entstehungsgeschichte und Inhalt im Lichte weiterer deutscher Strafgesetzbücher des 19. Jahrhunderts (= Quellen und Forschungen zur Strafrechtsgeschichte 14). Erich Schmidt, Berlin 2019. XIV, 305 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
In dem weiten Rahmen des vernunftrechtlichen Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten trat das in dem zwanzigsten und damit letzten Titel des zweiten Teiles ganz am Ende untergebrachte Strafrecht an dem 5. Februar 1794 in einem Umfang von 1577 von insgesamt 19194 Paragraphen in Kraft. In Zusammenhang damit und als Folge hiervon hatten die Besetzung der linksrheinischen Gebiete durch das revolutionäre Frankreich von 1792, der Friede von Lunéville von 1801, der Reichsdeputationshauptschluss von dem 25. Februar 1803, das Ende des Heiligen römischen Reiches von dem 6. August 1806 und die Gründung des Deutschen Bundes an dem 8. Juni 1815 die staatsrechtlichen Gegebenheiten in Mitteleuropa so stark geändert, dass das subsidiär gedachte Allgemeine Landrecht nur noch in einem Teilgebiet Preußens galt, weil der größere Teil der Rheinprovinz an dem Fortbestand des Code pénal Frankreichs von 1810 festhielt, in den von Schweden an Preußen gelangten Gebieten Neuvorpommern und Rügen und in dem Bezirk des Justizsenats zu Koblenz sowie dem 1850 zu Preußen gekommenen Hohenzollern-Hechingen das so genannte, auf der Peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 aufbauende gemeine Strafrecht anzuwenden war und in dem 1850 Preußen angewachsenen Hohenzollern-Sigmaringen durch Gesetz von dem 18. Oktober 1848 das Strafgesetzbuch Badens von 1845 in Kraft gesetzt worden war. Gegenüber diesen vielfältigen Entwicklungen und Gegebenheiten wurden bereits seit dem März 1799 verschiedentlich Wünsche nach einem einheitlichen Strafgesetzbuch für ganz Preußen geäußert, deren Geschichte der Verfasser in seiner von Andreas Roth in Mainz angeregten und betreuten Dissertation in neun Stufen chronologisch vor allem über Beyme, Kircheisen, Danckelmann, Kamptz, Savigny, Bornemann, Maercker, Kisker, Rintelen und Simons sorgfältig begleitet.
In seinem zweiten Kapitel behandelt der Verfasser danach den Inhalt des Strafgesetzbuchs von dem 14. April 1851. In elf Abschnitten erörtert er dabei Umfang, Aufbau und Systematik, Inkrafttreten, den Grundsatz des nulla poena sine lege, das Verhältnis von Auslegung und Analogieverbot, den persönlichen Anwendungsbereich, den räumlichen Geltungsbereich, die Fortgeltung weiterer strafrechtlicher Bestimmungen außerhalb des neuen Strafgesetzbuchs, die Todesstrafe, die Zuchthausstrafe, die Einschließung, die Gefängnisstrafe, die Geldbuße, den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, die Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte, die zeitige Unfähigkeit zu der Bekleidung öffentlicher Ämter, die Konfiskation, die Polizeiaufsicht, die Landesverweisung, die öffentliche Bekanntmachung des Strafurteils, die Einsperrung in das Arbeitshaus, die Unfähigkeit zu dem bisherigen Amte, zu der Kunst oder zu dem Gewerbe bei Verbrechen und Vergehen sowie der polizeilichen Gefängnisstrafe, der Geldbuße und der Konfiskation einzelner Gegenstände bei Übertretungen, Strafzumessung, Versuch, Täterschaft, Teilnahme, Unterlassen, Vorsatz und Fahrlässigkeit, Rechtfertigungsgründe und Entschuldigungsgründe, Verbotsirrtum, Verjährung, Strafantrag, Konkurrenz, Rückfall, mildernde Umstände und Strafzwecke. Als einzelne Verbrechen und Vergehen untersucht er Hochverrat und Landesverrat, Majestätsbeleidigung, feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten, Verbrechen und Vergehen hinsichtlich der Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Vergehen wider die öffentliche Ordnung, Münzverbrechen und Münzvergehen, Meineid, falsche Anschuldigung, Religionsvergehen, Sittlichkeitsstraftaten wie Bigamie, Ehebruch, widernatürliche Unzucht, Notzucht, gewerbsmäßige Unzucht und Kuppelei, Ehrverletzungen, Zweikampf, Verbrechen und Vergehen gegen das Leben, Körperverletzung, Verbrechen und Vergehen wider die persönliche Freiheit, Diebstahl und Unterschlagung, Raub und Erpressung, Hehlerei, Betrug und Untreue, Urkundenfälschung, Bankrott, strafbaren Eigennutz, Vermögensbeschädigung, gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen sowie Verbrechen und Vergehen im Amte und schließlich die Übertretungen.
In seinem dritten Kapitel kann er seine vielfältigen Ergebnisse kurz zusammenfassen und ansprechend würdigen. Damit schließt er eine bisher bestehende Forschungslücke und verbindet das preußische Strafgesetzbuch von 1851 mit seinen insgesamt 349 stärker abstrahierenden Paragraphen über das Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes und das Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches von 1871 mit der Gegenwart, ohne eine ausschließliche Kontinuität einerseits noch einen einseitigen Aufbruch andererseits festzustellen. Wer immer sich mit der Strafrechtsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts befassen wird, kann auf dieser klaren und genauen Grundlage bestmöglich aufbauen.
Innsbruck Gerhard Köbler