Spáčil, Vladimir/Spáčilová, Libuše, České Překlady Míšenské Právní Knihy. Memoria Verlag, Olomouc, 2018, 909 S. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.
Das Wissenschaftler-Ehepaar aus Olomouc (Olmütz) legt als ein weiteres Ergebnis seiner gemeinsamen Forschungsarbeiten eine mustergültige Edition der Übersetzung des Meißner Rechtsbuches (MRb) in die tschechische Sprache vor. Unter Heranziehung der 19 Textzeugen der Überlieferung haben die Germanistin, deren Forschungsgebiet die Sprachwissenschaft ist, und der Archivar eine Arbeit veröffentlicht, die dem Desiderat der rechtshistorischen Forschung angemessen ist. Mit dieser Arbeit ehren die Herausgeber den um die Erforschung der Handschriftenüberlieferung in der Tschechischen Republik verdienten PhDr. Frantisek Hoffmann (1920-2015), dessen Forschungen die Kenntnis aller derzeit bekannten Textzeugen zu verdanken ist. 2010 hatten die Forscher aus ihrer Arbeit zum Meißner Rechtsbuch eine Edition zu deutschsprachigen Handschriften Olmützer Herkunft vorgelegt. Nach Inhaltsverzeichnis und Vorwort folgt ein ausführlicher Überblick über die Rechtsgeschichte Böhmens (S. 9-37), der von den Bemühungen der böhmischen Herrscher zeugt, Belehrungen einheimischer Gerichte durch ausländische Gerichte zu vermeiden. Hierdurch wird der Einfluss des Magdeburger Rechts zurückgedrängt. Da das Meißner Rechtsbuch nur mit Einschränkungen dem Magdeburger Recht zuzuordnen ist, sind hier Differenzierungen notwendig. Dieser Passage schließen sich Tabellen zu den in der Edition behandelten Handschriften an (S. 37-39), die dann einzeln beschrieben werden (S. 39-48). Obwohl alle Textzeugen Papierhandschriften sind, ist eine Bestimmung der Wasserzeichen nicht angegeben. Die erste datierte Handschrift der tschechischen Fassung ist aus dem Jahre 1448. Als Referenzhandschrift ist die einst im Stadtarchiv von Litomeriče (Leitmeritz) befindliche Handschrift zugrunde gelegt, die heute in der Parlamentsbibliothek der Tschechischen Republik in Prag aufbewahrt wird. Diese Handschrift aus dem Jahre 1469 überliefert den Text in der ausführlichsten Version. Bereits Jaromir Čelakovský hielt 1879/1880 diese Handschrift für eine gute Grundlage einer Edition. Ein Verzeichnis ausgewählter Quellen und Literatur (S. 49-61) folgt. Ein deutschsprachiges Resümee (S. 63-65) lässt erkennen, dass die Handschriften meist in Nordböhmen und nur gelegentlich in Südböhmen (Region Horažd’ovice/Horaschdowitz und Klatovy/Klattau) benutzt wurden. Die folgenden sprachwissenschaftlichen Ausführungen zu der Übernahme von Germanismen in die tschechische Sprache (S. 67-111) sind durch ihre zahlreichen Beispiele und Hinweise auf Textstellen überaus instruktiv, leider erschließt sich ihre Bedeutung nur denjenigen Lesern, die über profunde Kenntnisse in der tschechischen Sprache verfügen. Das abschließende Resümee (S. 179-181) kann hierfür nur in geringer Weise einen Ersatz bieten. Ähnliches gilt für die Phraseme und rechtlichen Redensarten (S. 111-147). Sorgfältig werden Übersetzungsschwächen und Abschreibfehler (S. 142-147) dokumentiert. Die Ausführungen zum Gebrauch und zur Einführung von Rechtsworten in den tschechischen Sprachgebrauch (S. 147-173) geben viele Hinweise zur Übertragung der Rechtsterminologie. In der Zusammenfassung (S. 173) vermitteln die Verfasser Hinweise für weitere Forschungen. Das Handschriften-, Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 174-177) schließt diesen Teil ab. Die eigentliche Edition der sieben Bücher beginnt mit S. 183 und führt bis S. 359. Das Wort-, Personen- und Ortsregister (S. 361 – 375) nennt zu den Einträgen nur die Seitenzahlen der Edition, nicht Buch, Kapitel und Distinktion. Die Handschriften zeigen wohl untereinander zu große Unterschiede, um eine kritische Edition herstellen zu können. Die Herausgeber haben dies Problem mit bemerkenswertem Aufwand gemeistert: sie drucken (S. 377 – 902) für jede der 18 Handschriften die Abweichungen zur Referenzhandschrift gesondert ab und heben im Text die Abweichungen in Fettdruck hervor. Dies belegt überzeugend die Vielfalt der Textüberlieferung. Leider gibt diese Darstellungsweise keine Anhaltspunkte für eine Verwandtschaft unter den Handschriften. Die Verfasser machen keine Aussage dazu, ob es eine einzige Übertragung in die tschechische Sprache gab, von der dann durch abweichende Abschriften die Vielfalt der Überlieferung entstand, oder ob es mehrere Übertragungen gegeben hat. Wilhelm Weizsäcker hat in einer der im Literaturverzeichnis genannten Untersuchungen (Die Verbreitung des Meißener Rechtsbuchs, 1941) darauf hingewiesen, dass die tschechische Übersetzung zwar die Zusätze der von Weizsäcker als Gruppe Bab bezeichneten Handschriften aufweist, aber auch die in dieser Gruppe fehlenden Distinktionen in der Gruppe Bb enthält. Eine deutschsprachige Handschrift mit diesen Merkmalen hatte er bei seinen Forschungen noch nicht untersucht; dies muss nicht viel bedeuten, denn ihm waren bei Ende seiner Arbeit erst etwa 40 Prozent der deutschsprachigen Textzeugen bekannt. Für eine Überprüfung dieser Annahme wäre eine Konkordanz zwischen der Referenzhandschrift der vorliegenden Edition und der Referenzhandschrift der Edition von 2010 ein schätzenswerter Erkenntnisfortschritt gewesen.
Neu-Ulm Ulrich-Dieter Oppitz