Seul, Jürgen, Die Akte Rudolf Lebius – Auf den Spuren eines Skandaljournalisten zwischen Kaiserzeit und Drittem Reich – Eine Biografie. Karl-May-Verlag, Bamberg 2019. 409 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Rudolf Lebius wurde in Tilsit an dem 4. Januar 1868 als Sohn eines Getreidegroßhändlers geboren und begann nach dem Abitur in Berlin ein Studium von Zahnmedizin, Philologie und Rechtswissenschaft, das er aber nach dem Tode seines Vaters 1892 abbrechen musste. In der Folge arbeitete er als Journalist und Redakteur sowie nach der gerichtlichen Erzwingung der Auszahlung des erheblichen väterlichen Erbteils in dem Jahre 1910 als Verleger, musste aber 1927 auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten den von ihm betriebenen Verlag aufgeben, 1928 sein Haus verkaufen und nach dem Verbot jeder publizistischen Tätigkeit 1933 als Steuerhelfer arbeiten, wobei er in dem November 1937 wegen Weitergabe von Wissen über die Lage in dem Deutschen Reich an ausländische Journalisten wegen staatsfeindlicher Tätigkeit verhaftet und zu 18 Monaten Haft verurteilt wurde. Ausgebombt und von seiner Tochter aufgenommen, starb er in Berlin an dem 4. April 1946 mit 78 Jahren an Altersschwäche.
In dem Rahmen dieses wechselvollen Lebens bot er Anfang Mai 1904 dem bereits bekannten Schriftsteller Karl May gegen ein Darlehen eine Werbetätigkeit an. Nach Mays Absage versuchte er auf Grund erlangten Wissens über Karl Mays Vorstrafen eine Erpressung und danach eine Pressekampagne, die auch nach einer erfolglosen Aussprache in Berlin in dem Frühjahr 1909 und 29 Prozessen wegen Beleidigung über den Tod Karl Mays an dem 30. März 1912 hinaus anhielt und 1938 zu einem Karl May angreifenden Angebot eines verschlüsselten Romanmanuskripts Karl März an den Karl-May-Verlag von Seiten Martha Lebius‘ führte. Mit Rudolf Lebius beschäftigt sich nunmehr erneut das vorliegende Werk des in Ahrweiler 1962 geborenen, in Bonn in Rechtswissenschaft, Literaturwissenschaft und Geschichte ausgebildeten, nach der zweiten juristischen Staatsprüfung zeitweise als Rechtsanwalt, seit 2002 als Lektor und Redakteur sowie seit 2009 als freier Publizist tätigen Verfassers, der seit 1992 der Karl-May-Gesellschaft angehört und bereits 1996 in Band 1 der von Claus Roxin angeregten juristischen Schriftenreihe der Karl-May-Gesellschaft mit Emil Horn unter dem Titel Karl May eine Veröffentlichung des Fachausschusses zu der Sicherung von Maybiographika sowie unter dem Titel Karl May, Lebius und der „Vorwärts“ die Geschichte und Hintergründe einer wechselvollen Auseinandersetzung in der Zeit zwischen 1904 und 1914 im Spiegel des „Vorwärts“ vorlegte.
Gegliedert ist das mit zahlreichen Abbildungen bereicherte Werk in drei Abschnitte. Sie betreffen Lebius in der Kaiserzeit (S. 123 Hintergründe einer Blutsfeindschaft), Lebius in der Weimarer Zeit und Lebius im Dritten Reich. In seinem Ergebnis sieht der Verfasser Lebius - wie im Übrigen auch den derzeitigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika - als einen von einem übertriebenen Geltungsbedürfnis getriebenen, äußerst launischen, empfindlichen, letztlich amoralischen, mit vielen bekannten Zeitgenossen streitenden und dadurch motivierten Narzissten.
Innsbruck Gerhard Köbler