Rempel, Michael N., Jherings Juristisches Kabinett. Das kasuistische Element der Juristenausbildung bei Rudolf von Jhering. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Lehre von der Auslegung von Willenserklärungen (= Rechtsgeschichtliche Studien 80). Kovač, Hamburg 2018. VIII, 242, IX-LXXXIV S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Rudolf Jhering (Ihering) wurde als Sohn eines bereits 1825 verstorbenen Notars und Abgeordneten der Ständekammer Hannovers in Aurich 1818 geboren, studierte ab 1836 Rechtswissenschaft in Heidelberg, Göttingen, München und Berlin (Georg Friedrich Puchta), wurde in Berlin 1842 promoviert sowie 1843 bei Gustav Homeyer habilitiert und wechselte 1845 nach Basel, 1846 nach Rostock, 1849 nach Kiel, 1852 nach Gießen, 1868 nach Wien sowie schließlich 1872 nach Göttingen, wo er 1892 mit 74 Jahren starb. Zunächst folgt er bis 1858/1859 seinem Lehrer Puchta und erklärt das Recht aus seiner inneren Vernünftigkeit. Danach erkennt er die Notwendigkeit, das überkommene Recht der bäuerlichen Zeit für die industrielle Gegenwart zu modernisieren und befasst sich allerdings ohne abschließendes überzeugendes Ergebnis unter dem Einfluss soziologischer Überlegungen mit dem Zweck in dem Recht.
Mit einem kleinen Ausschnitt des vielschichtigen Gesamtwerks Jherings beschäftigt sich die berufsbegleitend entstandene, von Ulrich Falk betreute Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich nach einem kurzen Vorwort in vier Kapitel. Diese betreffen eine frühe Veröffentlichung, die sich allgemein mit Jherings 1847 erfolgter Veröffentlichung Civilrechtsfälle ohne Entscheidungen befasst, die innerhalb von 85 Jahren insgesamt 14 Auflagen erfuhren, den besonderen Speisekartenfall nach Heilfrons Beispiel, die besondere Semilodeientscheidung des Reichsgerichts und den Rechtslehrer Jhering vor allem mit dem Speisekartenfall, dem Schlaganfall bei dem Roulette, dem insolventen Holzhändler, dem ausgebliebenen Dampfer, dem Schneider und dem Studenten, der Havarie und Bergung, dem Chorverein, dem unterbliebenen Schiffskauf, dem Krönungszug und den späteren Hinzufügungen über des Pfarrers Zigaretten und über den Mailänder Bäcker.
Am Ende seiner Untersuchung bildet der Verfasser zehn Thesen, in deren Rahmen er Jherings Fallsammlung als bemerkenswertes, teilweise noch in der Gegenwart berücksichtigtes Beispiel der Ausbildungsliteratur einordnet. Er betont zutreffend das grundlegende Interesse der Auszubildenden und der Ausbilder an überzeugenden, praxisnahen die Abwägung exemplarisch erlaubenden und schulenden Fallgestaltungen. Der Anhang bietet benutzerfreundlich eine Transkription der Originalentscheidung Semilodei, eine Auswertung der insgesamt dreiunddreißig Fälle, die Sachverhalte neuner ausgewählter Fälle und eine Tabelle der Auswertung von Otto Lenels Praktikum, so dass jeder Leser sich zusätzlich ein eigenes Bild über die große Bedeutung der seinerzeit vorbildlichen und weiterführenden Fallsammlung Jherings für die gesamte bisherige deutschsprachige Studienliteratur verschaffen kann.
Innsbruck Gerhard Köbler