Reinhardt, Volker, Leonardo da Vinci Das Auge der Welt – Eine Biographie. Beck, München 2018. 383 S., 111 Abb., Kart. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Leonardo da Vinci wurde als unehelicher, von seinem Vater angenommener Sohn eines Notars in Anchiano in dem befestigten und damit halbstädtischen Dorf Vinci westlich Florenzs in der Toskana an dem 15. April 1452 gegen halb elf Uhr abends als Lionardo di ser Piero (da Vinci) geboren und starb in dem Schloss Clos Lucé in Amboise an der Loire in Mittelfrankreich an dem 2. Mai 1519. Sein Ausgangspunkt war die Malerei, doch griff er von hier auf die Bildhauerei, die Architektur, die Anatomie, die Mechanik, die Technik, die Naturphilosophie und vieles andere aus. Von daher ist er einer der bekanntesten Universalgelehrten aller Zeiten, dessen vielfach autodidaktisches Werden und Wirken naheliegenderweise immer wieder Gegenstand biographischer Darstellungen geworden ist.

 

Sein in Rendsburg 1954 geborener, in Geschichte und romanischer Philologie in Kiel, Freiburg im Breisgau und Rom ausgebildeter, von 1977 bis 1984 in Rom forschender, 1981 mit einer von Wolfgang Reinhard betreuten Dissertation über die Finanzen des Kardinals Scipione Borghese promovierter, 1989 mit der Schrift Überleben in der frühneuzeitlichen Stadt (Rom) habilitierter, 1992 für allgemeine und Schweizer Geschichte nach Freiburg im Üchtland berufener Biograph ist vorzüglicher Kenner der Renaissance in Italien. Sein vorliegendes Werk gliedert sich nach einer Einführung über den unbekannten Leonardo in insgesamt sechs Kapitel. Sie betreffen in vorwiegend chronologischer Abfolge Vinci und Florenz von 1452 bis 1481, das Mailand der Sforza zwischen 1482 und 1499, die Suche nach den Kräften der Natur, die späten Wanderjahre zwischen 1499 und 1513, Rom und Amboise zwischen 1513 und 1519 sowie abschließend den wiedergefundenen und den erfundenen Leonardo.

 

Unter Verzicht auf Vermutungen, Hypothesen, unbelegte Anekdoten und Stereotypen ist es das Ziel des Werkes den Platz Leonardos in seiner Zeit nüchtern und quellennah zu bestimmen. Dabei kann der Verfasser von den bereits vielfach erforschten Lebensstationen der Arbeit unter dem Maler und Bildhauer Verrocchio in Florenz, als Hofkünstler in Mailand, als Ingenieur Cesare Borgias und des gesicherten Lebensabends bei dem König Frankreichs ausgehen und sich unter selbständiger Verwertung der Notizbücher des Meisters Fragen widmen, wie warum vollendete Leonardo nur wenige Werke, wer war Mona Lisa oder was verbirgt sich hinter den Landschaften. Als zusammenfassende Antwort bietet er einen Künstler, der gegen Humanisten, Christen und Alchemisten seiner Zeit lebte, mittels seiner eigenen Auge sehend und abbildend zu dem Auge der Welt zu werden vermochte und sich dadurch zeitlosen Ruhm verdiente.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler