Plumpe, Werner, Unternehmensgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert (= Enzyklopädie deutscher Geschichte 94). De Gruyter, Berlin 2018. S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Vermutlich bestand die Aufgabe des ersten Menschen wie auch aller Tiere darin, den für den eigenen Fortbestand erforderlichen Nachschub an Lebensenergie zu suchen und dabei möglichst viele Gefahren zu vermeiden oder zu überwinden. Seitdem sind hierzu einige andere Ziele getreten, nach denen der Mensch darüber hinaus möglichst reich an materiellen und immateriellen Gütern werden will, ohne dass sie für seinen eigenen tatsächlichen Fortbestand wirklich noch notwendig sind. In diesem Rahmen sind Unternehmen als organisatorische Einheit aus Sachen, Rechten und sonstigen Werten, innerhalb deren ein Mensch allein oder mit anderen entferntere, meist wirtschaftliche Ziele verfolgt, und die Geschichte ihrer Entstehung und Entwicklung bis zu ihrem möglichen Untergang von besonderem Interesse.

 

Der in Bielefeld 1954 geborene, in Bochum seit 1973 in Geschichte und Wirtschaftswissenschaft ausgebildete, 1985 mit der von Dietmar Petzina betreuten Dissertation über Wirtschaftsverwaltung, Bewirtschaftungssystem und industrielle Interessenpolitik im britischen Besatzungsgebiet nach dem zweiten Weltkrieg 1945/1949 promovierte, bis 1989 in der Deutschen Kommunistischen Partei organisierte, als Hochschulassistent 1994 mit einer Schrift über betriebliche Mitbestimmung in der Weimarer Republik in dem Rahmen von Fallstudien zu dem Ruhrbergbau und zur chemischen Industrie für Sozialgeschichte und Wirtschaftsgeschichte habilitierte und nach Vertretungen 1999 nach Frankfurt am Main berufene Verfasser, der Carl Duisberg ausführlich untersucht und zuletzt in einem großen Werk über die Geschichte des in England und in den Niederlanden entwickelten Kapitalismus den Sozialismus als zu teuer und den Wohlfahrtsstaat zu einem Stabilisator der Ökonomie der Armen und für Arme erklärt und seit hat 2010 insbesondere Wirtschaftskrisen erläutert hat, fasst in dem vorliegenden Werk auf knappem Raum seine Erkenntnisse über die jüngere Unternehmensgeschichte präzise zusammen. Aus der Tiefe von Festplatten wiederhervorgeholt, gliedert es sich in zwei Teile. Ein enzyklopädischer Überblick unterscheidet zwischen Vormoderne, Durchbruch der Organisation zwischen 1800 bis 1870, dem bürokratischen Konzern zwischen 1870 und 1970 und dem Fínanzkonzern und Netzwerk seit den 1970er Jahren, während danach die Geschichte der Unternehmensgeschichtsschreibung dargestellt und als Felder der historischen Unternehmensforschung Branchen, Unternehmen und Markt, Unternehmensorganisation, Unternehmen und Politik sowie der globale Finanzkapitalismus betrachtet werden.

 

Insgesamt betont dabei der Verfasser zwar die Bedeutung der Unternehmen für die Geschichte der modernen Wirtschaft und Gesellschaft, warnt aber vor einer Einordnung der Unternehmen als ausschlaggebenden Organisationsbildungen. Nach seinen Erkenntnissen bestimmen sie zwar ihren wirtschaftlichen Alltag in seiner gesamten Entwicklung, haben aber nicht das ihnen vielfach zugeschriebene Gewicht. Eine umfangreiche Literaturauswahl, ein Personenregister (mit hauptsächlich den Unternehmern) Abbe, Abs, Ballin, Bayer, Bosch Carl, Bosch Robert, Brügelmann, Duisberg, Erhard, Flick, Fugger, Fürstenberg, Gwinner, Haniel, Hansemann Adolf von, Hansemann David, Harkort, Kirdorf, Krupp, Merck, Merton Wilhelm & Richard, Mevissen, Mulvany, Oppenheim, Rathenau, Reusch, Reuter, Röchling, Roselius, Schiller, Schmidt, Siemens Georg von, Siemens Werner von, Stinnes, Stumm-Halberg, Vögler, Welser, Welskott und Zeiß, ein etwas umfangreicheres Autorenregister, ein Ortsregister von Alb bis Wuppertal sowie ein Unternehmensregister und Sachregister  von dem A. Schaffhausenschen Bankverein bis zu dem zweiten Weltkrieg runden den vorteilhaften kurzen Überblick benutzerfreundlich ab.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler