Payk, Marcus M., Frieden durch Recht? Der Auftrag des modernen Völkerrechts und der Friedensschluss nach dem ersten Weltkrieg. (= Studien zur internationalen Geschichte 42). De Gruyter Oldenbourg, Berlin 2018. VIII, 739, 19 Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Ein Friede ist ein mögliches Ende eines Interessengegensatzes der grundsätzlich egoistischen Menschen, das grundsätzlich der Vernichtung des Besiegten durch den Sieger vorzuziehen ist, wie sie bei ausschließlicher Vorherrschaft von Gewalt und Macht als Denkmöglichkeit in Betracht kommt. Da im Laufe der Geschichte sich die bloße körperliche Kraft dem geistigen Vermögen des Menschen als unterlegen erwiesen hat, stellt sich die Frage der Anwendung dieses menschlichen Fortschritts auch auf die Konfliktlösung. Sie lässt sich grundsätzlich auf alle zwischenmenschlichen Gegensätze anwenden und hat unter den Einzelnen zu der Anerkennung des Gewaltmonopols des Staates und dem Verbot der Selbsthilfe geführt.

 

Mit einem besonders gewichtigen Teilaspekt dieser Problematik beschäftigt sich die vorliegende Untersuchung des 1973 geborenen, in Bochum und Münster ab 1993 in Geschichtswissenschaft, Rechtswissenschaft und Sozialwissenschaft ausgebildeten, ab 2001 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Zentrum für zeithistorische Forscher und nach der Bochumer Promotion von 2005 über den Geist der Demokratie in dem Rahmen intellektueller Orientierungsversuche in dem Feuilleton der frühen Bundesrepublik in Gestalt Karl Korns und Peter de Mendelssohns 2008 als wissenschaftlicher Mitarbeiter Wolfram Pytas in Stuttgart sowie ab 2009 bei Martin Sabrow  an dem Institut für neueste und Zeitgeschichte der Humboldt-Universität Berlin tätigen, in dem Juni 2017 für neuere und neueste Geschichte habilitierten und seit 2018 als Professor an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg neuere Geschichte unter Berücksichtigung der westeuropäischen Geschichte lehrenden Verfassers. Sie gliedert sich nach einer Einleitung in sechs Kapitel. Sie betreffen das Völkerrecht als Fortschrittserzählung und die Haager Konferenzen von 1899 und 1907, den ersten Weltkrieg als Kampf um das Recht, das langgezogene Kriegsende und die Planungen von Friedensgesprächen ab Herbst 1918, die interalliierten Verhandlungen zwischen Politik und Recht, die formale Gestaltung des Friedens und die Verträge mit den Verlierermächten und die Pariser Ordnung als Bauformen eines staatszentrierten Internationalismus.

 

In seinem Ergebnis kann der Verfasser eindringlich zeigen, dass in den Verhandlungen nach dem Sieg der Alliierten über die Mittelmächte Europas in einer längerfristigen Entwicklung dem Völkerrecht besondere Bedeutung zukam. Dadurch erhalten die Abkommen mit dem Deutschen Reich, Österreich, Ungarn, Bulgarien und dem Osmanischen Reich wichtige neue Aspekte. Gleichwohl kann nicht übersehen werden, dass der nach einer verfehlten Kriegserklärung Österreichs an Serbien in dem folgenden ersten Weltkrieg um die Herrschaft in Europa und mittelbar der gesamten Welt mit seinen vielen unschuldigen Opfern aufbrechende Interessengegensatz der europäischen Großmächte nicht durch eine übergeordnete unparteiische Instanz an Hand allgemein anerkannter Rechtsregeln überzeugend entschieden wurde, sondern dass, wenn auch unter Verwendung von Recht, in dem Ergebnis die Sieger ihre politischen Vorstellungen gegenüber den Verlierern weitgehend verwirklichten, wie auch in der internationalen Gegenwart wohl die tatsächliche Macht meist Vorrang vor dem Gedankengebilde Recht behält.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler