Müller, Alexander O., Reinhard Höhn. Ein Leben zwischen Kontinuität und Neubeginn. be.bra wissenschaft verlag, Berlin 2019. 337 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Reinhard Höhn, dem die nach einer Einleitung in drei  Abschnitte über vom ich zum wir, mitten im wir und vom wir zum ich gegliederte, mit einer Schlussbetrachtung endende, von der Technischen Universität Chemnitz angenommene sachliche Dissertation des Verfassers gewidmet ist, wurde als Sohn eines Amtsanwalts 1904 in Gräfenthal in Sachsen-Meiningen (bzw. später Thüringen) geboren und engagierte sich nach dem Ende des ersten Weltkriegs in konservativen Verbänden wie etwa 1922 in dem deutsch-völkischen Schutz und Trutzbund oder 1923 in dem nationalen Kampfbund jungdeutscher Orden Artur Marauhns als des 1920 zu dem Hochmeister des Ordens gewählten Führers der Offizierskompanie Kassel (1890-1950). 1928 wurde er nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Jena mit der von Max Grünhut (1893-1964, jüdische Mutter, 23. 9. 1933 zu dem 31. 12. 1923 in den Ruhestand versetzt und 1939 nach Oxford emigriert) und Heinrich Gerland betreuten Dissertation über die Stellung des Strafrichters in den Gesetzen der französischen Revolutionszeit magna cum laude promoviert. In der Folge wirkte er als Repetitor in Jena sowie unentgeltlich als Assistent des seit 1918 in Jena für Völkerrecht und Soziologie lehrenden Franz Wilhelm Jerusalem (1882-1970) und verfasste Schriften über Artur Marauhn als Wegweiser zur Nation und den bürgerlichen Rechtsstaat und die neue Front (1929).

 

Wenig später trat er in einem Streit als Sachberater der Ordensleitung des jungdeutschen Ordens aus. Er wandte sich dem Nationalsozialismus zu, in dem er unter Eintritt in die NSDAP mit der Mitgliedsnummer 2175900 unter Reinhard Heydrich Hauptabteilungsleiter in dem Reichssicherheitshauptamt und Rechtsberater Heinrich Himmlers wurde. 1934 wurde er an der Universität Heidelberg auf Grund der Schrift über den individualistischen Staatsbegriff und die juristische Staatsperson habilitiert und auf Betreiben Karl August Eckhardts 1935 planmäßiger außerordentlicher Professor in Heidelberg und danach in Berlin.

 

Nach dem zweiten Weltkrieg wirkte Höhn zunächst unter dem Namen Rudolf Haeberlein auf einem Bauernhof in Rixbeck bei Lippstadt als gesuchter Heilpraktiker, nahm 1950 seinen richtigen Namen wieder an und eröffnete nach formaler Entnazifizierung als entlastet (1951) in Bad Harzburg 1956 mit 42 Jahren eine Akademie für Führungskräfte der deutschen Wirtschaft, in der ihm bis 1962 die Ausarbeitung eines als Vorbild angenommenen Harzburger Modells der Unternehmensführung gelang. Wieweit der intelligente und anpassungsfähige, aber auch intrigante Höhn sich in diesem Rahmen innerlich bis zu seinem Tode in dem Jahre 2000 tatsächlich entnazifizierte und demokratisierte, ist unklar. Dessenungeachtet glückte ihm ohne Nationalsozialismus und Kugeln in Fortsetzung allgemeiner durch den Krieg gesteigerter Leistungsmobilisierung auch auf außerjuristischem Feld ein Beweis beachtlicher Organisationsfähigkeit.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler