Meinel, Florian, Vertrauensfrage – Zur Krise des heutigen Parlamentarismus. Beck, München 2019. 238 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Vertrauen ist die Überzeugung der Richtigkeit eines menschlichen Verhaltens, Vertrauensfrage in dem Bundestag der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 68 GG der Antrag des Bundeskanzlers an den Bundestag auf Überprüfung der Frage, ob die Mehrheit der Abgeordneten noch die Überzeugung von der Richtigkeit seines Verhaltens für das Wohl des Staates hat. In diesem Sinne ist Vertrauen eine wichtige Grundlage des menschlichen Lebens, die den Menschen sowohl in dem Verhältnis zu sich selbst wie auch in grundsätzlich allen Beziehungen zu anderen Menschen betrifft. Es muss durch Verhalten geschaffen werden und kann durch Verhalten bestätigt oder gestört werden.
Mit dem besonderen Teilaspekt der Vertrauensfrage in dem gegenwärtigen Parlamentarismus beschäftigt sich die vorliegende Studie des in den Großeltern 1960 aus der Dresdener Heimat in die Bundesrepublik Deutschland kommenden, 1981 geborenen, von 2001 bis 2006 an der Humboldt-Universität in Berlin ausgebildeten, nach der ersten juristischen Staatsprüfung als wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem Sonderforschungsbereich Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit und an dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung tätigen, 2011 mit einer Dissertation über Ernst Forsthoff als Juristen in der industriellen Gesellschaft promovierten, in dem Wintersemester 2017/2018 an die Universität Würzburg berufenen und in dem Februar 2018 in Berlin auf Grund einer in dem Erscheinen befindlichen Schrift über das Selbstorganisationsrecht des parlamentarischen Regierungssystems für Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Verfassungsgeschichte, Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung habilitierten Verfassers. Sie geht in der Vorbemerkung davon aus, dass Bonn nicht Weimar war und Berlin nicht Bonn ist und gliedert sich insgesamt in fünf Abschnitte. Diese betreffen das unbekannte Zentrum der deutschen Verfassung, eine verfassungsgeschichtliche Skizze des parlamentarischen Regierungssystems unter Bezugnahme auf den Jahrgang 1919, die Volksvertretung in dem Arbeitsparlament, die Krise der Vermittlungsinstitutionen und die Leistungen und Schwächen der parlamentarischen Regierungskontrolle in dem deutschen Bundestag.
In dem Ergebnis seiner während der Agonie der großen Koalition in dem langen Sommer 2018 geschriebenen Studie geht der Verfasser davon aus, dass die parlamentarische Demokratie in Deutschland immer einen schweren Stand hatte und die Wiederkehr autoritärer Politik Vertrauen stört. Nach seinem Nachwort hat er einige angesprochene verfassungsrechtliche Fragen der Stellung des Bundestags der Bundesrepublik Deutschland in seiner demnächst in dem Druck erscheinenden Habilitationsschrift näher behandelt, auf die deswegen mit ihm auch an dieser Stelle verwiesen werden kann. Unabhängig von den sorgfältig und umsichtig behandelten konkreten verfassungsrechtlichen Einzelheiten dürfte sich die Vertrauensfrage in den Gesellschaften allgemein vor allem deswegen stellen, weil weltweit in der Rechtswirklichkeit Wahrheit und Offenheit für alle durch Unwahrheit und Kollusion zu Gunsten persönlicher Vorteile Einzelner oder einzelner Gruppen verdrängt werden und eine Besserung in Richtung auf Vertrauen einen grundsätzlichen inneren Wandel der Meinungsmacher und der von ihnen gelenkten Allgemeinheit voraussetzen würde, der mehr bewirken könnte als jede noch so ausgefeilte formelle Verfassungsänderung und deswegen angesichts der Menschlichkeit des wesentlich nur an dem eigenen Wohl interessierten Menschen auch kaum zu erwarten ist.
Innsbruck Gerhard Köbler