Meder, Stephan, Der unbekannte Leibniz. Die Entdeckung von Recht und Politik durch Philosophie. Böhlau, Köln 2018. 386 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Der in Leipzig 1646 als Sohn eines Notars und Professors der Moral geborene Gottfried Wilhelm Leibniz wird nach dem Studium von Recht, Mathematik und Philosophie in Leipzig und der Promotion in Altdorf Sekretär in Nürnberg, 1667 mit 31 Jahren Rat in Mainz und 1676 Bibliothekar und Hofrat in Hannover, wo er mit siebzig Jahren stirbt. Er entwickelt eine Monadenlehre, in der die von Gott als der vollkommensten Monade oder Einheit als bestmöglich geschaffene Welt in einer umfassenden prästabilierten Harmonie unter allen Monaden besteht, begründet die mathematische Logik, die Differentialrechnung und das binäre Zahlensystem und führt einen umfangreichen Briefwechsel, aus dem 150000 Stücke erhalten sind. Ein zusammenfassendes Hauptwerk des mit seinen Erfolgen unzufriedenen, die Menschen liebenden und dennoch keinen Freund findenden Universalgelehrten fehlt.
Mit Leibniz hat sich nach vielen anderen in den letzten Jahren auch der in Nürnberg 1956 geborene, in Rechtswissenschaft, Philosophie und Geschichte in Erlangen, Frankfurt am Main und Berlin ausgebildete, 1988 über Schadensersatz als Enttäuschungsverarbeitung promovierte, 1993 über Schuld Zufall Risiko habilitierte und 1995 nach Frankfurt an der Oder sowie 1998 nach Hannover berufene Verfasser beschäftigt. Nach seinem kurzen Vorwort ist Leibniz wegen der unglücklichen Editionsgeschichte seiner Schriften, der Trivialisierung seiner Lehre durch die ihm folgende Schule und durch den Mangel an Übersetzungen zu wenig bekannt. Demgegenüber ist der Verfasser infolge der eigenen Beschäftigung mit Leibniz zu der Einsicht gelangt, dass sich auf der Grundlage von Leibniz‘ Philosophie „Modernität“ besonders gut verstehen und erklären lässt.
Gegliedert ist die vorliegende Darstellung in drei Teile. Sie betreffen Leibniz als Juristen und Rechtsphilosophen unter besonderer Berücksichtigung seines Corpus Iuris Reconcinnatum, der Lehre von den drei Stufen des Naturrechts, der Idee der Souveränität und des Urheberrechts als inhaltliches Beispiel der Reformbestrebungen, seine Korrelate von Metaphysik und Jurisprudenz unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit und seine Rechtsphilosophie bei Savigny, Hugo, Jhering und Gierke. Auf der Grundlage der in diesen Sachbereichen vorgenommenen vielfältigen eindrucksvollen Überlegungen sieht der Verfasser Leibniz ansprechend als einen auch für das Verständnis der Gegenwart bisher zu Unrecht verkannten Wegweiser an, der viel mehr Beachtung verdient, als ihm bisher zugeteilt wurde, auch wenn der Weg zu ihm nicht jedem wirklich sehr leicht fällt.
Innsbruck Gerhard Köbler