Lohrmann, Klaus, Die Babenberger und ihre Nachbarn. Böhlau, Wien 2020. 367 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Babenberger sind ein in der Mitte des 11. Jahrhunderts nach der Burg Babenberg benanntes, vor allem in Ostfranken begütertes und 945 letztmals bezeugtes fränkisches Adelsgeschlecht, denen als erster, vielleicht mit ihnen oder den bayerischen Liutpoldingern verwandter jüngerer Babenberger 976 ein Graf Liutpald der Mark an der Donau folgt. Vor allem diese Babenberger waren wegen der späteren Entwicklung der Mark an der Donau zu dem Land Österreich bereits mehrfach Gegenstand umfangreicher Untersuchungen. Dabei haben sie nicht nur ein eigenes Urkundenbuch erhalten, sondern Karl Lechner hat sich ihnen in einem bis 2014 sechsmal aufgelegten Werk gewidmet und auch Georg Scheibelreiter hat sich erst vor wenigen Jahren mit ihnen besonders befasst.

 

Die vorliegende Studie des in Wien 1949 geborenen, dort in Geschichte, Byzantinistik und Romanistik ausgebildeten, 1976 promovierten und als Archivar in dem Stadtarchiv und Landesarchiv Wien aufgenommenen, 1977 die Staatsprüfung an dem Institut für österreichische Geschichtsforschung ablegenden, 1988 zu dem Gründungsdirektor des Instituts für jüdische Geschichte in Sankt Pölten berufenen, in Wien 1991 für Geschichte des Mittelalters habilitierten und in der Folge als außerordentlicher Universitätsprofessor an dem Institut für österreichische Geschichtsforschung tätigen, vielfältige Werke zu der Geschichte der Juden, Österreichs in dem Mittelalter und des Antisemitismus veröffentlichenden Verfassers entstand nach dem kurzen Vorwort aus dem Plan, eine Siedlungsgeschichte des Herrschaftsgebiets der Babenberger zu schreiben. Allerdings erwies sich dieses Vorhaben aus der Sicht des Betreibers „als zu wenig auf Kanten und Entwicklungen fokussiert“. Da aber während der Bearbeitung der Blick auf die Bedeutung der Grenzregionen und mehr noch auf ihr in einer deutlichen Korrespondenz zu den benachbarten Gebieten stehendes Hinterland intensiver wurde, ergab sich allmählich ein Paradigmenwechsel zu einer Nachbarschaftsgeschichte der Mark und des späteren Herzogtums Ostarrîchi/Austria/Österreich, das allerdings bei der Erstnennung von Ostarrîchi 996 als solches wohl weder Mark noch Herzogtum war.

 

Gegliedert ist der daraus erwachsene Band nach dem Vorwort in 29 kleinere Abschnitte. Sie beginnen mit allgemeinen Überlegungen zu dem Nachbarn, Fremden, Feind und Freund und führen von dem Ausgangspunkt der Betrachtungen, dem Königreichsplan von 1245, über die Mark und die Marken, die Ungarn, bayerische Einwanderer in Ungarn, Böhmen und Mähren, den steirischen Nachbarn, den Südosten, Böhmen, den Aufstieg zu dem Herzogtum mittels des privilegium minus, die Steiermark bis zu Betrachtungen zur Nachbarschaft in der mitteleuropäischen „Staatenwelt“. In diesem umfassenden Rahmen gelangt der Verfasser an dem Ende auch zu der Einsicht, dass in dem Streben nach der Verbreitung der lateinisch-westlichen Lebensordnung mit Hilfe der Marken auch aggressive Mittel ergriffen wurden, denen bedeutsame Könige der Ungarn die Zusammenarbeit mit Zuwanderern als einen Schlüssel kollektiven Fortschritts gegenüberstellten, wenngleich in dem Wettbewerb um das Königtum Böhmen und Ungarn den 1246 in dem Mannesstamm aussterbenden Babenbergern eher als Konkurrenten gegenüberstanden „denn als Freunde“.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler