Kutzner, Maximilian, Marktwirtschaft schreiben – Das Wirtschaftsressort der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 1949 bis 1992 (= Medienakteure der Moderne 1). Mohr Siebeck, Tübingen 2019. XI, 360 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
In seiner Einführung geht der Verfasser von der Vorstellung aus, dass Wirtschaft Öffentlichkeit ist und die beiden Systeme Öffentlichkeit und Wirtschaft gut erforscht sind. Demgegenüber fragt er sich, was die Allgemeinheit über den geschichtlichen Zusammenhang und die Gestaltungskraft der Verbindung von Wirtschaft und Öffentlichkeit für den Fortgang der Geschichte weiß, obwohl beide für sich zentrale Rollen in den Leiterzählungen über das 19. Jahrhundert einnehmen. Weil dies nach seinen Erkenntnissen bisher zu wenig ist, richtet er seinen Blick auf das Verhältnis von Wirtschaft und Öffentlichkeit in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und betrachtet es an dem Beispiel des Wirtschaftsressorts der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Gegensatz etwa zu der Tagesschau, der Bildzeitung oder vieler noch unerforschter Wirtschaftsteile, weil die Frankfurter Allgemeine Zeitung Leitmedium von Führungskräften in Politik, Wirtschaft und Kultur ist.
Das auf Grund dieser Überlegungen vorgelegte, mit einem Bild Ludwig Erhards mit Zigarre und (einer) Zeitung veranschaulichte Werk ist die in dreieinhalb Jahren entstandene, von Peter Hoeres betreute, in dem Rahmen eines Forschungsprojekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft entstandene, von der Konrad-Adenauer-Stiftung geförderte und von dem Promotionskolleg soziale Marktwirtschaft begleitete, von der Universität Würzburg angenommene Dissertation des in Hünfeld 1989 geborenen, in Geschichte und Fachjournalistik in Gießen ausgebildeten, anscheinend 2018 promovierten Verfassers. Es gliedert sich nach einer sachkundigen Einführung in fünf hauptsächlich chronologisch gereihte Kapitel. Sie betreffen Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsressort zwischen 1945 und 1949, - Gesicht und Gesichter -, Wirtschaftswunderjahre zwischen 1949 und 1966, Zeiten der Veränderung zwischen 1967 und 1981 und enttäuschte Hoffnungen zwischen 1982 und 1992.
In seinen auf umsichtigen Forschungen beruhenden vielfältigen interessanten Ergebnissen kann der Verfasser feststellen, dass der Einsatz für die Marktwirtschaft als Gründungszweck der Frankfurter Allgemeinen Zeitung es vor allem war, für die Etablierung der Marktwirtschaft zu werben, weshalb das Wirtschaftsressort der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein eigener Akteur war, der vor allem das Bundeswirtschaftsministerium unter Ludwig Erhard für die Bedeutung der Öffentlichkeit sensibilisierte. Wegen der Zentralität der Marktwirtschaft für das Ressort blieb dieses trotz gewisser Erweiterungen stets marktwirtschaftlich liberal. Weil das Ressort und seine Akteure ihre Umwelt für die Bedeutung der Beziehung zwischen Marktwirtschaft und Öffentlichkeit sensibilisierten, trugen sie maßgeblich zu der Gültigkeit der Erkenntnis bei, dass Wirtschaft Öffentlichkeit ist, selbst wenn die Frankfurter Allgemeine Zeitung bisher sorgsam die eigenen Geheimnisse ihrer Vergangenheit hütete, von denen der Verfasser mit Unterstützung Jürgen Jeskes und Holger Steltzners als früheren Herausgebern des Wirtschaftsteils einige in seiner Untersuchung lüftet, weil man schlecht Öffentlichkeit in manchen Beziehungen unterstützen, in anderen aber gleichzeitig verschließen können sollte, so dass der Verfasser sich insgesamt durch seine Ergründung der engen Zusammenarbeit der Zeitungsmacher mit Entscheidungsträgern aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sehr verdient gemacht hat.
Innsbruck Gerhard Köbler