Kühne, Jörg-Detlef, Die Entstehung der Weimarer Reichsverfassung. Grundlagen und anfängliche Geltung. Droste, Düsseldorf 2018. XX, 996 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
An dem Ende des von Österreich und Deutschland gegen die Alliierten verlorenen ersten Weltkriegs wurde die bis dahin bestehende Monarchie revolutionär durch die Republik ersetzt. Durch diesen tatsächlichen Vorgang wurde auch eine Änderung der verfassungsrechtlichen Gestaltungen erforderlich, die in der Form der von dem linksliberalen Berliner Staatsrechtler Hugo Preuß seit dem 15. November 1918 entworfenen, an dem 31. Juli 1919 von der von dem 6. Februar bis zu dem 11. August tagenden Nationalversammlung in Weimar bei einem Frauenanteil von 9,6 Prozent beschlossenen und an dem 11. August 1919 verkündeten Verfassung des in dem Namen unveränderten Deutschen Reiches verwirklicht wurde. Sie wird vielfach mit dem Übergang der Republik in die Diktatur unter dem Reichskanzler Adolf Hitler an dem 30. Januar 1933 in Verbindung gebracht.
Mit ihrer Entstehung befasst sich aus Anlass der hundertsten Wiederkehr der revolutionären Ereignisse die vorliegende grundlegende Untersuchung des in Wriezen 1943 geborenen, nach dem Abitur in Essen in Berlin, Freiburg im Breisgau und Bonn in Rechtswissenschaft und später auch in Geschichte ausgebildeten, 1970 mit einer Dissertation über die Abgeordnetenbestechung promovierten, und nach Tätigkeiten bei Karl Josef Partsch und bei Jörg Pietzcker und einem Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit einer Schrift über die Reichsverfassung der Paulskirche für öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte habilitierten, ab 1984 in Köln, Hannover und Bielefeld tätigen Verfassers. Er setzte die bereits von Walter Jellinek begonnene Suche nach Dokumenten über den Entstehungsablauf entschieden, mühevoll und sehr erfolgreich fort. Sie war deswegen besonders schwierig, weil die Aufzeichnungen und Niederschriften über die seinerzeitigen Verfassungsberatungen in Berlin an dem Ende des zweiten Weltkriegs durch Brand vernichtet worden waren.
Nach den detaillierten Untersuchungen des Verfassers war der Grund für die schwierige Quellenlage ein entstehungsgeschichtliches Minderinteresse der von den Wirren und Probleme der Jahre nach dem ersten Weltkrieg gekennzeichneten seinerzeitigen Gegenwart. In den an diese wichtige Klärung anschließenden drei Hauptteilen durchleuchtet der Verfasser außerordentlich sorgfältig das vorparlamentarische Geschehen und die Entwicklungen in dem Verfassungsausschuss sowie dem Grundrechtsausschuss. Dabei kann er in seinem überzeugenden Ergebnis feststellen, dass die Geschichte der Reichsverfassung und der Republik von Weimar nicht neu erarbeitet werden muss, so dass sein alle Stufen der sieben Entwürfe zwischen Januar und Juli 1919 vertieft umgreifendes Werk insgesamt auf Dauer eine verlässliche Grundlage für jegliche weitere Befassung mit der Entstehung der Weimarer Reichsverfassung sein wird.
Innsbruck Gerhard Köbler