Karlauf, Thomas, Stauffenberg – Porträt eines Attentäters. Blessing, München 2019. 368 S., 1 Ill. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Der bekannteste Österreicher und Deutsche, Adolf Hitler (20. April 1889-30. April 1945) ist auch einer der bekanntesten Straftäter der gesamten Weltgeschichte. Aus bisher nicht sicher ermittelten Beweggründen wird er von einem harmlosen Kunstadepten zu einem brutalen Massenmörder, der vielleicht seine unmittelbaren politischen Zielsetzungen an den vermuteten Wünschen seiner möglichen Wähler ausrichtete und dabei allmählich jegliches menschliches Maß überschritt, was jeder Kenner seiner Handlungen und Vorstellungen in dem Laufe der Zeit trotz umfassender Propaganda hätte erkennen sollen. Zu den wenigen Deutschen, die sich seinem Handeln und Wünschen in den Weg zu stellen versuchten, gehört Claus Schenk Graf von Stauffenberg, geboren in Jettingen in Bayern zwischen Ulm und Augsburg an dem 15. November 1907 und standrechtlich in Berlin um Mitternacht an dem 20. oder 21. Juli 1944 erschossen, den das vorliegende Werk in seinem Eingang in einer Aufnahme vor Mai 1922 als Leutnant des Reiterregiments 17 und auf dem Umschlag in dem Namenszug zeigt.
Da Stauffenberg an dem Mittag des 20. Juli 1944 eine Bombe zündete, die Adolf Hitler töten sollte, ist sein Leben bereits vielfach Gegenstand biographischer Darstellungen geworden. Nach Ansicht des in Frankfurt am Main 1955 geborenen, zehn Jahre für die Literaturzeitschrift Castrum Peregrinum in Amsterdam, von 1984 bis 1996 bei den Verlagen Siedler und Rowohlt tätigen und seitdem in Berlin eine Agentur für Autoren führenden, 2007 eine Biographie Stefan Georges und 2016 eine Untersuchung der späten Jahre Helmut Schmidts vorlegenden Verfassers des vorliegenden Werkes ist für das Verständnis der Handlung Stauffenbergs nach den Werten und Idealen zu fragen, mit denen Stauffenberg aufwuchs. Dies sind für den Verfasser die Tradition der Familie, das Offizierkorps und die lange und tiefe Bindung an den (Gastwirtssohn und) Dichter Stefan George (Büdesheim bei Bingen 12. Juli 1868 – Minusio bei Locarno 4. Dezember 1933), mit dessen in einem Prolog ausführlich geschilderter Totenwache das Werk einsetzt.
Danach behandelt der George verbundene Verfasser die Welt von gestern als Grundlagen einer Biographie, den Waffenträger der Nation in dem Juni 1934, den Übergang von der Reichswehr zur Wehrmacht zwischen März 1935 und März 1936, das Handwerk des Krieges in dem Oktober 1936, das Erbe zwischen Juni 1936 und Juni 1938, die Krise der Wehrmacht zwischen November 1937 und September 1938, siegreiche Jahre zwischen September 1939 und Dezember 1941, den Weg in die Katastrophe zwischen 1941 und Februar 1943, die Flucht an die Front, das Rollen der Würfel, das Zentrum der Verschwörung und den 20. Juli 1944 als deutsches Missverständnis. In diesem Rahmen verwertet er bisher unbekannte Quellen und gelangt zu dem Ergebnis, dass der lange Hitler folgende Stauffenberg erst in dem Sommer 1942 mit dem Umdenken begann. Trotz vieler neuer Einzelerkenntnisse auch über die Attentatsvorbereitungen fragt sich an dem Ende, ob der Einfluss Stefan Georges für das todesmutige Handeln des durchaus rationalen Offiziers Stauffenberg tatsächlich mehr Gewicht hatte als seine realistische Furcht vor den politischen Auswirkungen eines Krieges, der nach Stalingrad unter Adolf Hitler nur noch verloren werden konnte, auf seinen Stand und sein Land.
Innsbruck Gerhard Köbler