Janssen, Albert, Die Kunst des Unterscheidens zwischen Recht und Gerechtigkeit. Studien zu einer Grundbedingung der Rechtsfindung (= Beiträge zu Grundfragen des Rechts 18). V&R unipress, Göttingen 2016. 374 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Recht ist eine Vielzahl von menschlichen Sätzen über das richtige Verhalten, Gerechtigkeit demgegenüber das zeitlos gültige Maß richtigen Verhaltens. Dementsprechend kann der Mensch Recht machen und Gerechtigkeit nur versuchen. Sowohl hinsichtlich des Rechtes wie auch bezüglich der Gerechtigkeit gibt es dabei keine vollständige Übereinstimmung zwischen allen Menschen, so dass sowohl Recht wie auch Gerechtigkeit in dem Einzelfall durchaus unterschiedlich bestimmt werden können.
Mit der Frage, worauf sich eigentlich die Gewissheit des seit dem Hochmittelalter entwickelten Juristen gründet, einen Streit durch Stiftung von Frieden beenden zu können, hat sich der nach in Norden in Ostfriesland 1960 die Reifeprüfung ablegende, zunächst in Marburg evangelische Theologie beginnende, dann in Heidelberg zu der Rechtswissenschaft und von dem Sommersemester 1965 an nach Göttingen wechselnde, dort mit der von Karl Kroeschell betreuten Dissertation über Otto von Gierkes Methode der geschichtlichen Rechtswissenschaft promovierte, nach der zweiten juristischen Staatsprüfung als parteiloser Verwaltungsjurist und Parlamentsjurist Niedersachsens zu dem Landtagsdirektor aufsteigende, als außerplanmäßiger Professor an der Universität Hannover tätige Verfasser nach dem kurzen Vorwort des vorliegenden Sammelbands häufig beschäftigt. Daraus sind vielfältige Abhandlungen erwachsen. In ihrer Summe versteht sie der Verfasser als einen konsequenten Denkweg zu einer (vorläufigen) Antwort auf die obige Frage und veröffentlicht sie in der Hoffnung eines Beitrags für das Selbstverständnis der Jurisprudenz gegenüber Theologie (und Philosophie) als leicht greifbare Einheit.
Gegliedert ist dieser Rückblick nach einer Einführung in den leitenden Gedankengang, ergänzenden Überlegungen und weiteren Hinweisen in drei Teile. Sie betreffen Otto von Gierkes rechtssystematische Unterscheidung zwischen Individualrecht und Sozialrecht als gedanklichen Ausgangspunkt, die rechtliche Relevanz Gerhard Ebelings theologischer Fundamentalunterscheidung zwischen Gesetz und Evangelium als gedankliche Alternative und Wilhelm Henkes juristische Fundamentalunterscheidung zwischen Recht und Gerechtigkeit auf Grund einer säkularen Zweireichelehre als entscheidende Folge. Zwei Studien über Staatskirchenrecht als Kollisionsrecht und den Beitrag der juristischen Dogmatik zu der Gesetzgebung runden den durch Drucknachweise und ein Stichwortverzeichnis von Analogie bis Zweireichelehre vervollständigen handlichen Band, dem möglichst viele an Recht und Gerechtigkeit interessierte Leser zu wünschen sind, benutzerfreundlich ab.
Innsbruck Gerhard Köbler