Höbenreich, Evelyn, Marianne Webers „Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung“. Beziehungsmodelle zwischen römischem Recht und deutscher Kodifizierung. Edizioni Griffo, Lecce 2018. 365 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.

 

Als „Fußnotenexistenz“ wird Marianne Weber bezeichnet. In der Tat ist ihre Rolle als Ehefrau des großen Soziologen in Heidelberg zu dessen Lebzeiten eher die einer minimaleren Randfigur und Annex des Patriarchen der Soziologie, wenn auch als bedeutende Figur der Frauenbewegung aus diesem intellektuellen Zentrum Deutschlands seit der Jahrhundertwende, als frühe Feministin und als langjähriger gesellschaftlicher Mittelpunkt der süddeutschen Universitätsstadt nicht wegzudenken. Vita und Werk dieser für die Frauenbewegung zentralen Persönlichkeit sind in jüngerer Zeit inzwischen durch eine Reihe tiefgreifender Forschungen erhellt worden.

 

Die Verfasserin konzentriert sich, anders als etwa der spezifische Haupttitel nahelegen würde, jedoch nicht allein auf Marianne Webers rechtshistorisch-soziologische Grundlagen-Studie. Sie erweitert einige ihrer grundlegenden Vorarbeiten (s. Nachweise S. 338ff.).

 

Evelyn Höbenreich, vielsprachige Professorin für römisches Recht an der Universität Graz mit Schwerpunkten im öffentlichen Recht, Strafrecht und in der auch historisch ungemein fundierten Geschlechterforschung, geht en passant der oft einseitig beantworteten Frage nach, welchen Einfluss Max Weber auf das Werk seiner Ehefrau in den sieben Jahren der Entstehung gehabt haben wird. Doch steht diese Frage kaum im Vordergrund. Denn dass die Webers sich mit diesem Thema im ständigen Austausch befassten, steht außer Diskussion, wie auch die Antwort, dass Marianne Weber sich durchaus selbständig als eine der bedeutendsten frühen, ja ersten Rechtshistorikerinnen ausgewiesen hat (Stephan Meder). 

 

Die Verfasserin analysiert das Werk in einer ungemein gründlichen und sachkundigen Bestandsaufnahme immer im kritischen Vergleich zum Stand der damaligen und heutigen Forschung. Sie untersucht Stil, Methoden und Basis der Arbeit Marianne Webers und stellt ihre Arbeit in den zeitgenössischen und wissenschaftlich-europäischen Kontext. Damit liefert sie zu der Weberischen Pilotstudie gleichsam eine auf heutigem Niveau stehende historische Studie zur Rechtsgeschichte der Frau.

 

Die Entstehungsgeschichte ist von dem wissenschaftlichen und persönlich-biografischem Ambiente, der Frauenbewegung, der Neuen Ethik und der Debatte um das neue deutsche Bürgerliche Gesetzbuch nicht zu trennen, jedoch auch nicht von den aktuellen Entwicklungen im elitären, vielfarbigen Kreis im und um die Webers, in denen die Geschlechterfragen, die Beziehungen von Mann und Frau, nicht nur in der Ehe, eine wesentliche Rolle in den Diskussionen und sehr persönlichen Lebenshaltungen spielten. Marianne Weber wird als autodidaktisch arbeitende bedeutende Wissenschaftsautorin gewürdigt, die, trotz der ohnehin prekären Lage von Frauen in der damaligen Wissenschaft, eine wichtige Grundlagenstudie verfasste, die - kaum anders zu erwarten – jedenfalls in den Folgejahren und bis heute wenig rezipiert und erst in jüngerer Zeit als wesentliche Forschungsleistung anerkannt worden ist. Höbenreich veranschaulicht in ihrer glänzend belegten und so eleganten wie tiefschürfenden Arbeit nicht nur die ungeheuere Faszination, die von diesem Werk damals ausging und heute ausgeht, sondern auch dessen famose Fundierung und sensible Vielseitigkeit.

 

Das Werk Marianne Webers wird in seiner Quellenbasis, seinen enormen Verästelungen, methodisch, inhaltlich, ideen- und wirkungshistorisch und auch kritisch vorgestellt. Darüberhinaus wird der Leser über die subtile rechtshistorische Verortung hinaus über die partielle Rezeption, die Rezensionen und die noch immer ambivalente Einschätzung einiger gegenwärtiger Experten des römischen Rechts unterrichtet.

 

Düsseldorf                                                      Albrecht Götz von Olenhusen