Geschichte und Zukunft des Urheberrechts, hg. v. Meder, Stephan. Göttingen. v & r 2018. 222 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.
Der gehaltvolle Sammelband mit den Beiträgen zur jüngsten Tagung des Arbeitskreises „Geschichte und Zukunft des Urheberrechts“ 2017 an der Leibniz-Universität Hannover vermittelt interdisziplinäre Forschungen zum Immaterialgüterrecht im Schnittpunkt von Rechtsgeschichte, Kulturgeschichte und Kunstgeschichte. Die Zäsur zu dem bisher seit Beginn von Manfred Rehbinder (Zürich) souverän geleiteten Kreis von vor allem Rechtshistorikern und Urheberrechtlern wird deutlich bei Betrachtung seiner eindrucksvollen Übersicht über die Breite und Tiefe der Erträge aller Tagungen von 1986 bis 2015 mit ihrer sinnvollen Verschränkung von historisch basierter Theorie und Praxis.
Zu den in diesen Jahren immer wieder mit brillanten Vorträgen herausragenden Autoren zählen Renate Frohne und Ludwig Gieseke, in diesem Band vertreten mit zwei Beiträgen zur Frühgeschichte des Urheberrechts. Stephan Meder, Leiter der Tagung, wies an einer aufschlussreichen Quelle nach, wie bei Leibniz der Gedanke der Billigkeit der Vermittlung von Eigenwohl und Gemeinwohl auf dem Hintergrund des von Naturrecht und Aufklärung bestimmten Optimierungsdenkens sich ausprägte.
Detaillierte Untersuchungen ebenfalls für die frühe Neuzeit lieferten Norbert Flechsig mit einer Studie über die ediktalische Privilegienerteilung zu Beginn des 16.Jahrhunderts und Klaus Neuenfeld mit einer engagierten Neuauflage der bekannten Pohlmann-Bappert-Debatte zum strittigen Geschichtsbild des Urheberrechts vor allem im musikalischen Urheberrecht des Privilegienzeitalters. Die berechtigte rechtshistorisch-methodisch-archivalische Kritik an Pohlmanns polemisch-pointierten Thesen wird, wie Elmar Wadle gezeigt hat, wohl künftig durch weitere eingehende und breiter angelegte archivalische Studien belegt, differenziert oder widerlegt werden müssen, welche die Fülle der Wiener Akten mit regionalen oder örtlichen Detailstudien, wie sie etwa neuerdings für Nürnberg vorliegen, in Beziehung bringen.
Mit einem übergreifenden Ansatz widmete sich Alexander Peukert der weiterhin zu diskutierenden Frage nach drei maßgeblichen Entstehungsbedingungen des modernen Urheberrechts und seines Schutzgegenstandes. Sein auch gegen Pohlmann gewendeter Punkt ist, dass im 16. Jahrhundert es die Idee des abstrakten Werkes gefehlt und erst die Entkoppelung des Kunstwerks von allen externen Vorgaben eine „wilde“ semantische Innovation als Gedanken des geistigen Eigentums in dem revolutionären Frankreich des 18. Jahrhunderts bewirkt habe – dies alles auf dem Hintergrund der Entwicklung neuer technologischer Mittel, von der dirigistischen Ökonomie zum Markt, von der „namenlosen Nachahmung zum genialen Werk“.
Von übergreifendem Interesse ist ebenfalls die Studie zum „Verlagsrecht aus Produktionsverhältnissen“ im 18. Jahrhundert. Christoph Sorges interessanter Ausgangspunkt ist die „selbstredende Natur der Sache“ bei Johann Stephan Pütter, eine rechtsdogmatische Konstruktion für das bürgerliche Verlagsrecht mit dem Anspruch eines europäischen jus gentium“ (S. 148), als subsidiäre Rechtsquelle neben Gesetz und ius commune - auf der Grundlage von Pütters sozioökonomischen Argumenten. Sorges filigrane und ganz neu angelegte Untersuchung von Pütters Verlagseigentumslehre, abgeleitet aus der empirischen Natur des Buchmarkts, gipfelt in der Erkenntnis der hier deutlichen integrativen Verschränkung von Recht, Wirtschaft und Soziologie, bis hin zu seiner Normativität des Faktischen – und im Ergebnis in einer grundsätzlichen Neubewertung von Inhalt und Stellenwert von Pütters Gutachten von 1774, aufschlussreich auch für die dogmatische Unterfütterung des faktischen Fortlebens des Verlagseigentumsgedankens im 19. Jahrhundert.
E.T.A. Hoffmann als juristischer Gutachter in einer speziellen Nachdruckfrage bei Klavierauszügen auf der Basis des ALR wird von Fedor Seifert im Kontext der Vita des Dichter-Juristen präsentiert. Es ging wieder einmal um den gesetzlichen Schutz des „Freischütz“ im Jahr 1822/1823. Hoffmann, damals selbst Objekt einer disziplinarischen Untersuchung in der sog. Knarrpanti-Affaire, entscheidet sich gegen Nachdruck und für zulässige Bearbeitung, eine Ansicht, deren Für und Wider noch manche musikurheberrechtliche Differenzen des 19. Jahrhunderts prägten. Ein aktueller Rechtsvergleich zu der nach wie vor höchst fragwürdigen Haftung von Auktionshäusern für Kunstfälschungen bildet den Abschluss (Sanders/Beckmann).
Der Band knüpft an die jahrelange Dokumentation der Vorträge des Arbeitskreises mit seinen systematischen rechtshistorischen Dokumentationen in der „alten“ UFITA unter Manfred Rehbinder produktiv an.
Düsseldorf Albrecht Götz von Olenhusen