Die St. Galler Verbrüderungsbücher, hg. v. Geuenich, Dieter/Ludwig, Uwe unter Mitwirkung von Crivello, Fabrizio/Erhart, Peter/Zettler, Alfons (= Monumenta Germaniae Historica, Libri memoriales et Necrologia, Nova Series IX). Harrassowitz, Wiesbaden 2019. XXXII, 528 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Das Kloster Sankt Gallen südlich des Bodensees in dem Sprachgebiet der Alemannen ist 719 aus einer um 612 errichteten Zelle des heiligen Gallus erwachsen. Es entwickelte sich rasch zu einem der bedeutendsten Bildungsorte des fränkisch-deutschen Reiches, dem zwischen 760 und 950 etwa 500 Konventuale angehören, von denen rund ein Viertel als Urkundenschreiber tätig ist. Zu ihren Zeugnissen gehören neben den zahlreichen frühmittelalterlichen Urkunden auch Verbrüderungsbücher, die bereits 1884 von Paul Piper in dem Rahmen der Libri confraternitatum Sancti Galli Augiensis Fabariensis veröffentlicht wurden.

 

Die vorliegende Neuedition wäre nach dem Vorwort der Herausgeber ohne die Vorarbeiten Karl Schmids (1923-1993) kaum denkbar, der sich schon in den 1950er Jahren mit dem damaligen Codex C3B55 des Stiftsarchivs Sankt Gallens befasste, aber 1970 zunächst den Liber memorialis von Remiremont und 1979 die Neuedition des Verbrüderungsbuchs des Klosters Reichenaus vorlegte. Er gelangte zu der Einsicht, dass die Handschrift Teile zweier eigenständiger, zu unterschiedlicher Zeit angefertigter und erst nachträglich verbundener Gedenkbücher umfasste, wobei in keinem der beiden Verbrüderungsbücher Listen aus Sankt Gallen und der Reichenau enthalten oder erhalten sind. 1986 legte er in der Form fotografischer Ablichtungen einen Rekonstruktionsvorschlag vor, dem 2008 auf Initiative des Stiftsarchivars Peter Erhart eine Restaurierung und Neuordnung der Handschrift folgten.

 

Die umfangreiche, detaillierte Einleitung bietet nacheinander eine Beschreibung des geschichtlich außerordentlich komplexen Codex mit mehreren hundert Händen aus mehr als fünf Jahrhunderten durch Peter Erhart (früheste Hand in dem älteren Verbrüderungsbuch aus den Jahren 807 bis 814), Bemerkungen zu dem künstlerischen Schmuck des älteren Verbrüderungsbuchs und des jüngeren Verbrüderungsbuchs durch Fabrizio Crivello, die Sankt Galler Namensüberlieferung in dem Register Melchior Goldasts von 1606 und in dem Codex Traditionum von 1645 durch Dieter Geuenich, die Datierung und Konzeption des älteren Sankt Galler Verbrüderungsbuchs von Alfons Zettler, die Datierung und Konzeption der Anlage des jüngeren Sankt Galler Verbrüderungsbuchs von Uwe Ludwig (um 855/860), die Gebetsverbrüderung Sankt Gallens mit (16) monastischen und geistlichen Gemeinschaften im Spiegel der in den Verbrüderungsbüchern überlieferten Listen von Uwe Ludwig und Überlegungen zur Namenwelt der Gedenkeinträge in den Sankt Galler Verbrüderungsbüchern von Dieter Geuenich (23300 Personennamen - davon 4680 aus dem älteren Verbrüderungsbuch und 9022 Personennamen aus dem jüngeren Verbrüderungsbuch sowie 5612 Namen in Goldasts Rerum Alamannicorum scriptores – mit 2366 Amtsbezeichnungen oder Standesbezeichnungen bei 22100 Personennamen in den 814 frühesten merowingischen und karolingischen Urkunden Sankt Gallens). Daran schließen sich Einträge und Texte mit Abgrenzung und Wiedergabe der Nameneinträge in den Gedenkbüchern sowie die Wiedergabe der auf die St. Galler Verbrüderung bezogenen Aufzeichnungen in den Codices Sangallenses 915 und 453 an. Abgerundet wird die vorbildliche Edition mit Hinweisen zu den Registern, einem alphabetischen Gesamtindex, einem lemmatisierten Personennamenregister (S. 363-465), einem Verzeichnis der mit Amtsbezeichnungen und Standesbezeichnungen (abbas, acolythus, archiepiscopus, archiprespiter, clericus, comes, corepiscopus, diaconus, episcopus, frater, imperator/imperatrix, laicus/laica, medicus, monachus/monacha, peccator, praepositus, presbyter, praesul, rex/regina, scriba, subdiaconus versehenen Personennamen, einem Verzeichnis der (schätzungsweise 200) Ortsnamen sowie nach S. 494 mit Faksimile von Stiftsarchiv Sankt Gallen C3B55, der auf die Sankt Galler Verbrüderung bezogenen Aufzeichnungen in den Codices Sangallenses 915 und 453 sowie der außerhalb der Verbrüderungsbücher überlieferten Nameneinträge des Censualium hominum Rotulus Pater Magnus Brüllisauers aus dem Codex traditionum monasterii sancti Galli (1645) S. 521-528, so dass nunmehr eine bestmögliche Edition der St. Galler Verbrüderungsbücher jedermann verfügbar ist.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler