Detzer, Jens Harry, Faber und Castell – eine passende Verbindung? Das Problem von unebenbürtiger Heirat und die Zulassung standesherrlicher Schiedsgerichte am Beispiel der Gerichtsprozesse zwischen Wolfgang Graf zu Castell-Rüdenhausen und den Häuptern beider Linien zu Castell (= Studien zur Geschichtsforschung der Neuzeit 97). Kovač, Hamburg 2018. 200 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Vermutlich hat der Mensch vergleichbar mit vielen Tieren schon in den frühesten Gesellschaften eine einfache Rangfolge entwickelt, in deren Rahmen wohl die körperliche Kraft eine besondere Bedeutung hatte. Mit der Entstehung höherer Kulturstufen könnten besserer Verstand und Innehabung von Sachgütern hinzugetreten sein, so dass bereits in den Hochkulturen des Altertums Stände ausgebildet werden konnten, unter denen die höheren Stände die niederen Stände unterdrückten und teilweise dadurch ausbeuteten, dass sie sie als Sklaven den Sachen gleichstellten. Zu dem Schutz des höheren Standes wurde in Rom das conubium gebildet und in dem Mittelalter Ebenburt, deren Verletzung nachteilige Folgen nach sich zog.

 

Mit einem besonderen Teilaspekt dieser allgemeinen Problematik beschäftigt sich die vorliegende, auch ungedruckte Quellen einbeziehende Untersuchung des in Bayreuth geborenen, in Würzburg ab 2010 in Geschichte und europäischer Ethnologie ausgebildeten, ab 2014 als studentische Hilfskraft an dem Lehrstuhl Dietmar Grypas tätigen und in dem Masterstudium Geschichte mit Schwerpunkt fränkische Landesgeschichte sowie Adelsgeschichte und Wirtschaftsgeschichte in dem 19. Jahrhundert vertiefenden und zuletzt als wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem Forschungskolleg Franken an dem Institut für fränkische Landesgeschichte in Thurnau an dem Promotionsprojekt Der Verein der deutschen Standesherren und die standesherrlichen Beamtenkonferenzen wirkenden Verfassers. Seine schlanke Untersuchung gliedert sich nach einer Einleitung über Forschungsfrage und Forschungsstand sowie Quellen der Arbeit in fünf Sachkapitel. Diese betreffen den hohen und niederen Adel unter besonderer Berücksichtigung der aus der Bleistiftherstellung zu neuem Adel aufgestiegenen Familie von Faber und der dem Uradel angehörigen Familie zu Castell sowie der Industrialisierung, die Vorrechte des Hochadels, das Familienverhältnis des Grafen Alexander (Castell-Rüdenhausen) und der Freiin Ottilie (Faber), durch die das Bleistiftunternehmen gerettet wurde, sowie des Grafen Wolfgang (Castell-Rüdenhausen) und der Freiin Hedwig (Faber), die nicht als standesgemäß anerkannt wurde, den Prozess auf Anerkennung der Ebenbürtigkeit zwischen Wolfgang Graf zu Castell-Rüdenhausen und den Häuptern beider Linien zu Castell vor dem Landgericht Würzburg 1910 mit Anklageschrift (!), prozesshindernder Einrede und Urteil, vor dem Oberlandesgericht Bamberg 1911, vor dem obersten Landesgericht in München an dem 24. Februar 1913 und in den zweiten Prozess vor dem Landgericht Würzburg 1914 sowie die Entwicklung  nach dem ersten Weltkrieg mit der Aufhebung der Adelsvorrechte und der Anerkennung der Heirat.

 

In dem Ergebnis verliefen die Gerichtsprozesse (!) zunächst sehr vorteilhaft für die Familie Castell, indem das Landgericht Würzburg und das Oberlandesgericht Bamberg in ihrem Sinne dahin entschieden, dass die hochadelige Familie selbst über die Standesmäßigkeit ihrer Ehen befinden sollte. Demgegenüber entschied das Oberste bayerische Landesgericht, dass eine hausgesetzliche Regelung den Grundsätzen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht vorgehen könne. Letztlich führte der erste Weltkrieg mit der Folge des Entfalls der Adelsvorrechte dazu, dass die Ehe Graf Wolfgangs doch als standesgemäß anerkannt werden musste, weil mit dem Ende der Monarchie die bisherigen Vorrechte entfielen und alter Adel, neuer Adel, niederer Adel sowie hoher Adel rechtlich gleichstanden.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler