Brüggemann, Jens, Männer von Ehre? Die Wehrmachtsgeneralität im Nürnberger Prozess 1945/46 – zur Entstehung einer Legende (= Krieg in der Geschichte 112). Schöningh, Paderborn 2018. 631 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Der Mensch ist auf Grund des ihm vorgegebenen Selbsterhaltungstriebs grundsätzlich Egoist und hält die von ihm angestrebten Ziele dementsprechend meist für richtig, weshalb er sie für andere nachvollziehbar zu begründen versucht. Dies gilt wie für viele andere Politiker auch für Adolf Hitler, nachdem er sich in dem Dilemma der Berufslosigkeit nach dem ersten Weltkrieg entschlossen hatte, „Politiker zu werden“ und auf der Suche nach Wählern auch den Antisemitismus auf seine Fahnen zu schreiben. Das ist aber auch wahrscheinlich für die vielen seiner Anhänger, die aus unterschiedlichen Gründen ihn bei der Suche nach Verwirklichung seiner politischen Ziele unterstützten, auch wenn sie in dem Ergebnis scheiterten, was bei rationaler Überlegung als durchaus nicht unwahrscheinlich zu erwarten war.

 

Mit einem besonderen Teilaspekt dieser Problematik beschäftigt sich das gewichtige Werk des von dem Verlag zurückhaltend als in Hamburg lebender freier Historiker beschriebenen Verfassers, der sein Studium an der Universität Hamburg abschloss und auf Grund seiner Forschungen zu der Wehrmachtgeneralität an der Helmut-Schmidt-Universität promoviert und dabei durch die Gerda-Henkel-Stiftung gefördert wurde. Nach der vorangestellten Danksagung hat sein von Bernhard Kroener und Bernd Wegner betreuter Versuch einer Rekonstruktion einer Vergangenheit viele Jahre gedauert, um den Spuren der Menschen und Ereignisse zu folgen und sie zu einem Portrait zusammenzusetzen. Als er mit den Arbeiten begann, hätte er nie im Traum daran gedacht, dass sie so viele Jahre verschlingen würde, wobei ihm an dem Ende immerhin gezeigt wurde, was wirklich wichtig ist in dem Leben.

 

Nach dem Erscheinen des mit Abbildungen Adolf Hitlers mit Generalfeldmarschall von Brauchitsch und Wilhelm Keitels mit seinem Verteidiger Otto Nelte veranschaulichten Werkes hat es das Interesse eines sachkundigen Rezensenten auf sich gezogen. Deswegen genügt an dieser Stelle ein allgemeiner Hinweis auf seine der Einleitung folgenden Gliederung in drei Teile über das Vorfeld des Verfahrens, die Zusammenarbeit von Anwälten, Zeugen und Angeklagten sowie auf Messer Schneide Risse in der gemeinsamen Front. In seinem bedeutsamen Ergebnis gelangt er unter Beachtung der Zeit vor dem und während des zweiten Weltkriegs zu der Etablierung einer Erzählung des Weges von Nürnberg zu der Wiederbewaffnung und stützt die durch eine Schlussbetrachtung abgerundeten und durch ein Verzeichnis der Quellen und Literatur sowie ein Personenregister (ohne Adolf Hitler) aufgeschlossenen Ergebnisse durch einen umfangreichen Dokumentenanhang zu Vorverhören und Prozessgeschehen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler