Barceló, Pedro, Die Alte Welt. Von Land und Meer, Herrschaft und Krieg, Mythos, Kult und Erlösung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2019. 703 S., Abb., 10 Kart. Besprochen von Werner Augustinovic.
Traditionelle Darstellungen zur Geschichte des Altertums, wie etwa die zahllosen Elaborate namhafter oder weniger prominenter Verfasser mit dem Titel „Griechische Geschichte“ oder „Römische Geschichte“, zeigen üblicher Weise in chronologischer Abfolge je nach Schwerpunkt die politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der dominierenden Völker, idealer Weise unter Berücksichtigung ihrer relevanten Beziehungen zu den sie umgebenden zeitgenössischen Gemeinwesen. Eine Folge dieses fortgeschriebenen Musters ist der Umstand, dass selbst neuere Darstellungen dazu tendieren, neben ihren aktuellen Forschungsergebnissen in ermüdender Weise immer wieder auch viele bekannte Inhalte zu präsentieren, ohne durch deren Problematisierung den erkenntnispraktischen Mehrwert der Arbeiten zu steigern. Autoren stehen daher vor der Herausforderung, ergänzend zu diesem klassischen System andere, alternative Ordnungsmuster der Darstellung zu kreieren, die durch neue Zugänge eine effizientere Präsentation erlauben.
Ein gelungenes Beispiel eines solchen innovativen Ordnungsmusters stellt das gegenständliche Werk des 1950 in Spanien geborenen, in Freiburg im Breisgau, Eichstätt und Augsburg ausgebildeten, 2015 als Ordinarius für Geschichte des Altertums an der Universität Potsdam emeritierten Pedro Barceló dar. Seinen methodischen Zugriff charakterisiert der Verfasser selbst folgendermaßen: „Neben deskriptiven und narrativen Passagen kommen eine Reihe von im investigativen Duktus pointiert vorgetragenen Ansichten zu bestimmten offenen Fragen zur Sprache, die sowohl Zwischenergebnis als auch Rechenschaftsbericht zur Steigerung des historischen Erkenntnisgewinns darstellen“ (S. 16). Anhand acht ausgewählter Themenkreise (Land und Meer; Mythos und Historie; Kult und Erlösung; Herrschen und Dienen; Krieg und Gewalt; Regierungsstile – Herrschaftsformen; Monotheismus als politisches Problem; Ikonographie der Macht) vermittelt der Gelehrte gewissermaßen eine kaleidoskopische Gesamtschau auf die Antike, die für unsere Gegenwart „als ein in jeder Hinsicht geschlossener Kulturkreis eine ausgezeichnete Materialfülle (liefert), um sie mit den darauf aufbauenden historischen Nachfolgeprozessen zu vergleichen“. Diese „Sammlung von Impressionen zur Geschichte und zu Geschichten der Alten Welt“ begreife „das Geschehen des klassischen Altertums, also das Wirken der Hellenen, Perser, Punier, Juden, Römer, Iberer, Kelten und Germanen […] als eine miteinander verwobene Sinneinheit, die in einer gemeinsamen zivilisatorischen Entwicklungsstufe wurzelte. Sie wird konstituiert durch analoge politische, ökonomische, soziale, religiöse und geistige Maßstäbe und Wertvorstellungen, die trotz aller Differenzen und unterschiedlichen regionalen Ausprägungen letztlich ein zusammengehörendes Ganzes ergeben“. Beispiele für diese Interkulturalität seien neben den langlebigen und homogenen Strukturen der antiken Arbeitswelt und Produktionsverhältnisse sowie dem komplexen Kultwesen unter anderem die christlichen Gemeinden, deren Gedeihen „ohne ihren jüdischen Ursprung, den geistesgeschichtlichen Beitrag der hellenistischen Intellektualität und das römische Rechtswesen unvorstellbar gewesen“ wäre, aber auch „die auf griechischem und römischem Boden entstandenen Verfassungsentwürfe und Staatsformen […], welche die Grundlagen der politischen Architektur und Denkvorstellungen der Moderne bilden“. Selbst die Vorgeschichte so aktueller Begrifflichkeiten wie Universalität und Globalisierung reiche „bis in die durch die Prägekraft des Hellenismus und des Imperium Romanum geschaffenen Kulturzonen zurück“ (S. 11ff.).
Das Zusammenspiel zwischen „Land und Meer“ (der Luftraum als dritte Sphäre besaß zu jener Zeit noch keine Relevanz) sei maßgeblich gewesen für „die Herausbildung von Lebensräumen (oikos, polis)“, ferner für „die Entdeckung und Vermessung abgelegener Teile der mediterranen Kulturlandschaften […,] die Ursachen und Folgen der griechischen und phönikischen Kolonisation, […] die Festlegung von Grenzräumen (Hasdrubal-Vertrag, Limes, Alalia/Korsika) und […] (die) Erschließung von Randbereichen einer aufgrund der verbesserten nautischen Kommunikationsmöglichkeiten in höherem Maße verfügbar gewordenen Welt (Fahrten des Hanno, Pytheas und Nearchos)“, die durch diese Erkundung zugleich „einen Teil ihrer Magie“ eingebüßt habe. Auch die „zu Lande und zu Wasser errichteten Machtpotentiale“ – die attische „Politisierung des Meeres“, Karthago und Rom – werden hier thematisiert (S. 17f.). Der zweite Abschnitt „Mythos und Historie“ versucht, ausgehend von Homer und Hesiod, „die Bedeutung von Traumwelten, Sehnsüchten, Idealen und Realitäten als Teil unseres kulturellen Erbes sowie als Bausteine der historischen Erinnerung“ begreifbar zu machen: „Diese lassen sich mittels der Analyse konkreter Persönlichkeiten (Peisistratos, Alexander, Scipio Aemilianus), politischer Projektionen (demokratischer Mythos) oder legendärer Ereignisse (Alpenübergang, Cannae, Numantia) […] rational erklären […]. In diesem Kontext kommt der mythologischen Verklärung historischer Sachverhalte als Strategie für die Vereinnahmung der Vergangenheit eine zentrale Rolle zu (Cincinnatus, Fabius, Maximus, Dido und Aeneas)“, des Weiteren dem ebenfalls hier zu verortenden Nachweis, „unter welchen Bedingungen xenophobisch aufgeladene Stereotypen entstehen und sich verfestigen, welche historische Funktion ihnen zukommt, um damit eine bestimmte Sicht auf die Vergangenheit zu eröffnen […] (Orient und Okzident als antithetische Größen, Feinde als Bedrohung, Rom und die Barbaren)“ (S. 94f.). Die bedeutsame „Erfassung der Grundlagen des griechischen Kultwesens“ wegen seines „Modellcharakter(s) für die weiteren Religionssysteme des Altertums“ unter Berücksichtigung der konfliktträchtigen „Religiosität des politischen Alltags […] (Phye-Episode, Hermenfrevel, Sokratesurteil)“ leitet in das Großkapitel „Kult und Erlösung“ ein. Anschließend werden die Eigenheiten der römischen Religionsausübung herausgearbeitet, bevor „der Einbruch des Christentums in die polytheistische Landschaft der Alten Welt“ in das Zentrum der Betrachtung rückt, „seine Lehre und seine Organisationsform, seine Behauptung als anerkannte Religionsgemeinschaft […,] Konfliktlagen sowie sein Verhältnis zum Staat“, dann auch die Veränderungen, die Staat und Gesellschaft des römischen Reiches durch den religiösen Wandel vollzogen (S. 169f.).
Die Sklaverei und eine durch aristokratische Normen geprägte, auf militärische Macht gestützte Staatlichkeit liefern die Grundstruktur für das im vierten Abschnitt erörterte antike Funktionsmuster des „Herrschen(s) und Dienen(s)“. Der verantwortungsvolle oder von Hybris bestimmte Umgang mit den Machtressourcen interessiert hier ebenso wie – in guter antiker Tradition – das Denken und Verhalten außergewöhnlicher Persönlichkeiten. Das betrifft zum einen „jene selbstbewussten Individuen (Alkaios, Sappho, Theognis, Pindar), die um ihren politischen Stellenwert in der krisengeschüttelten Welt der archaischen Polis ringen“, zum anderen „Perikles, Pompeius, Cicero, Fulvia, Paulus, Julian und einige( ) prominente( ) Kirchenmänner“, deren Biographien „einen aufschlussreichen Eindruck über die unterschiedlichen Modalitäten sowie die Komplexität des Phänomens Herrschaft vermitteln“, aber auch „jene eigenwilligen Machtmenschen (Themistokles, Hannibal, Cato) […], die sich trotz ihres Scheiterns einen Ehrenplatz in der Erinnerung der Nachwelt gesichert haben“ (S. 255f.). In dem Kapitel 5 „Krieg und Gewalt“ geht es dem Verfasser „im Wesentlichen darum, die politischen Implikationen der von Gruppen und Staaten kalkuliert ausgeübten Gewalt sowie den Stellenwert kriegerischer Auseinandersetzungen in den antiken Gesellschaften zu dokumentieren und zu überprüfen“ (S. 360). Ausgewählte bedeutende, gemeinhin als Chiffren für eine Epochenwende figurierende Schlachten (Salamis, Gaugamela, Actium, Hadrianopel) und Konflikte von besonderer Tragweite (Peloponnesischer Krieg, Punische Kriege) werden ebenso analysiert wie einzelne Gewaltexzesse und die gewaltsamen Verwerfungen im Rom der späten Republik (Gracchen, Marius und Sulla). Die Prägung des politischen Denkens durch das Militärische, Kriegsfinanzierung und persönliche Bereicherung (Caesar), urbane Gewaltpotenziale (Antiochia, Rom, Alexandria, Thessalonike, Constantinopel) sowie der Umgang mit den Revolten und deren Folgewirkungen sind ebenfalls Themen dieser Sektion.
Die auf die Antike zurückzuführenden Kategorien des Politischen gelten gemeinhin als die Grundlagen unserer modernen staatlichen Ordnung. Unter den entwickelten und praktizierten „Regierungsstile(n) und Herrschaftsformen“ (Abschnitt 6), figurieren insbesondere die hier in ihren Analogien und Unterschieden charakterisierten Modelle der athenischen Demokratie und der römischen Republik als die „zwei wirkmächtigsten politischen Diskurse der griechisch-römischen Antike“ (S. 432). Aber auch die Alleinherrschaft und die darauf fußende monarchische Theorie sowie die Tyrannis als Gegenpol zur Volksherrschaft beschäftigten das Denken der Griechen, während der Caesarismus, der augusteische Principat und das spätantike Kaisertum jeweils das politische Gefüge in Rom nachhaltig veränderten. Die Betrachtungen enden mit einem Blick auf die Ursachen der Erosion der kaiserlichen Machtgrundlagen im Westen. Das mit der Herrschaft Constantins etablierte Christentum konfrontierte Rom mit dem „Monotheismus als politisches Problem“, dem ein weiteres, siebtes Kapitel der Arbeit gewidmet ist. Darin kommen vielfältige Aspekte der Entwicklung des Christentums im 4. und 5. Jahrhundert zur Sprache: die Ambitionen Constantins, die Anpassung der christlichen Glaubenslehre an ein heidnisches Umfeld, die von dogmatischen Streitigkeiten und klerikalen Machtkämpfen gekennzeichneten innerchristlichen Verhältnisse, die Vorrangfrage zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt und das neue Rollenverständnis der christlich gewordenen Kaiser. Von der „Ikonographie der Macht“ handelt der Schlussabschnitt. Hierbei gehe es darum, „eine Skizze unterschiedlicher Formen der bildlichen Darstellung politisch konnotierter Herrschaft in der Antike [zu] entwerfen“ und „mittels aussagekräftiger Beispiele trendbestimmende Entwicklungslinien aufzuzeigen, die zur Visualisierung von Macht und Herrschaft in der antiken Kultur im Wandel der Zeit eingeschlagen worden sind“. Herangezogen werden, einander ergänzend, materielle Zeugnisse und literarische Texte, mit dem Schwerpunkt auf griechischen Exponaten und unter Einbeziehung der christlichen Ikonographie. In Betracht stehen dabei sowohl „die Verdeutlichung von strukturellen Elementen der Erfassung von Herrschaft“ als auch „Individuen in unterschiedlichen historischen Situationen und Epochen“ mit ihren Attributen der Macht und dem spezifischen ideologischen und politischen Rahmen (S. 571).
Die großen Abschnitte greifen eine Vielzahl von Themenkreisen und Gesichtspunkten auf, wobei der innere Zusammenhang durch die Wahrnehmung der Antike als geschlossene historische Erfahrungseinheit und durch das implizite Generalthema Mechanismen der Herrschaft stets gewährleistet ist. Entwicklung und Merkmale der aus der kleinteilig gegliederten Topographie Griechenlands erwachsenen Polis werden beispielsweise zunächst im ersten Abschnitt „Land und Meer“ ausführlich dargestellt. Das Thema wird dann im Kapitel „Mythos und Historie“ erneut aufgegriffen, um, gestützt auf die eingeführten Orientierungsmarken, im Kontext der Erfolge Alexanders deren strukturelle Auswirkungen zu beschreiben: „Eines ihrer folgenreichsten Ergebnisse war die Entstehung eines gewandelten Raumhorizontes. Die Kleindimensionalität der griechischen Polis, die Regionalität der makedonischen Stammesherrschaft, die Abgeschlossenheit der asiatischen Landmasse des Achaimenidenreiches wurde plötzlich aufgebrochen. Daraus gingen eine globalisierte Welt, präzisere Raumvorstellungen und Raumwahrnehmungen sowie ein tieferes Verständnis für den Zusammenhang zwischen Land und Meer hervor. Die größere Durchlässigkeit zwischen Ost und West, die deutlich verbesserten Kommunikationswege und ein bisher unbekannter Sinn für Territorialität trugen dazu bei, neuartige Kulturzonen zu schaffen, welche die geltenden politischen Maßstäbe sowie die tradierten geographischen Dimensionen sprengten“ (S. 124). Im Abschnitt drei „Kult und Erlösung“ wiederum erfährt man unter anderem, dass „ein Ausblick in die klassische Zeit zeigt […], dass die olympischen Gottheiten ihre von Homer und Hesiod zugeschriebenen Wesenszüge bewahren konnten und mit dem Bürgersinn der Polis weitgehend verschmolzen“ (S. 172), über den man schon an früherer Stelle lesen kann, dass den Politen „die Deckungsgleichheit von Bürgerverband und Kultgemeinschaft […] als Voraussetzung [der] sozialen Existenz und staatlichen Identität (galt)“ (S. 33). In der als „erste(s) politische(s) Denkmal der abendländischen Geschichte“ firmierenden Figurengruppe der Tyrannentöter Harmodios und Aristogeiton – sie befreien durch Mord die Polis von dem Despoten Hipparchos – manifestiere sich Pedro Barcelò zufolge wiederum der „zur Gestalt geronnene Bürgereid“ als „Inkarnation des nach Isonomie strebenden Polisgeistes“ (Kapitel 8 „Ikonographie der Macht“, S. 590f.).
Seine Bemerkungen zur Religionskritik illustrieren besonders gut, wie der Verfasser immer wieder Kontinuitätslinien und den Gegenwartsbezug herausarbeitet: „Mit dem Aufkommen des Agnostizismus in der Sophistik wurde das Nachdenken über die politische Sprengkraft der Religion angestoßen. Dieser Impetus beschäftigte und trieb auch manche Humanisten der Renaissancezeit an. Eine besondere Wirkung sollte die […] Debatte […] in der Epoche der Aufklärung entfalten, weil sie […] die Koordinaten des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat neu definierte und damit die Säkularisierung der modernen Gesellschaften ermöglichte. Danach erhielt das Thema in der marxistischen Weltsicht erneut Relevanz […] und ist seither nicht mehr zum Verstummen gekommen“ (S. 175f.). Die thematisch nahe liegenden Stichworte Islamismus und Scharia versus westliche Werteordnung werden an dieser Stelle (noch) nicht bemüht, doch ein Unterkapitel des Abschnittes 6 „Regierungsstile und Herrschaftsformen“ geht auf vier Seiten in kontrastiver Betrachtung auf „die politische Organisationsform des frühen Kalifats als Gegenentwurf zur Zivilgesellschaft der Antike“ (S. 441) ein. Nicht Aristoteles, sondern Plato, in dessen Idealstaat „kein öffentlicher Raum, keine Wahlen oder politische Debatten vorgesehen sind“, sei „bei der Errichtung des Denkgebäudes des politischen Islams maßgeblich […]. Die Entscheidungen treffen hier die Weisen, die sich an unveränderliche, dem Willen der Mehrheit entzogene Regeln halten. […] Es ist gerade dieses Dilemma, das gegenwärtig die Demokratisierungsbewegungen […] in den muslimischen Ländern ungemein erschwert“ (S. 444).
Neben solchen ausholenden, grundsätzlichen Überlegungen liefert die Arbeit aber auch die eine oder andere überraschende Pointe. Zu den allgemein bekanntesten Mythen der Geschichte des Altertums zählt die Erzählung von Hannibals einzigartiger waghalsiger Alpenüberquerung 218 v. Chr., die jedoch, wie Pedro Barceló ergänzend korrigiert, zehn Jahre später in ähnlicher Weise auch von seinem jüngeren Bruder Hasdrubal durchgeführt wurde, was jedoch die antike Überlieferung nur am Rande vermerkt habe: „Den Ruhm dieser keineswegs einmaligen Tat, die […] bis auf unsere Tage das Bild Hannibals entscheidend prägt, erntete ausschließlich der ältere Bruder. Sein legendärer Alpenübergang wird noch zu dessen Lebzeiten zum wesentlichen Baustein seines Mythos“ (S. 139). Nur ein markantes Beispiel dafür, wie der Band auch immer wieder die Rechtssphäre berührt, sind die erhellenden Ausführungen zu den athenischen Volksgerichten (heliaia) und zu den als Dikasterien bezeichneten Gerichtshöfen, „Geschworenengerichte, welche sowohl als Rechtsorgan in Zivil- und Strafangelegenheiten als auch als Rechnungshof und Verfassungsgericht fungieren konnten“ und für die jährlich 6000 Bürger als Richter ausgelost wurden, „womit ein beträchtlicher Teil der Bürgerschaft direkt an der Judikative mitwirkte“ (S. 459). Ein weiteres betrifft die Analyse der Erosion der kaiserlichen Macht im römischen Reich, die der Imperator – seit Augustus zugleich oberster Richter, Gesetzgeber, Befehlshaber und Priester – durch Abgabe seiner richterlichen Kompetenzen hinnehmen musste: „Im Zuge der Schaffung der Tetrarchie wurden […] die nun vier amtierenden Prätorianerpräfekten von ihren militärischen Aufgaben entbunden. Im Gegenzug erhielten sie […] juristische Funktionen, was zur Folge hatte, dass die höchste richterliche Appellationsfunktion, die bisher dem Kaiser oblag, auf seinen höchsten zivilen Stellvertreter überging“. Damit erlitten die Kaiser des 4. Jahrhunderts eine „mittelfristig durchaus wirksame Schwächung ihrer Machtposition“. Dem Urteil Ammians zufolge habe die Verdrängung des Kaisers aus der Rechtspflege „letztlich die Zunahme von Korruption gefördert“ (S. 505) und so das Reich weiter destabilisiert.
Die 27 Seiten Endnoten – für jeden Abschnitt der Arbeit gesondert durchnummeriert – dienen nicht nur der Dokumentation, sondern bringen häufig interessante ergänzende Informationen zum laufenden Text ein. Das quantitativ großzügig eingesetzte unterstützende Kartenmaterial wirkt ein wenig unterdimensioniert und würde jeweils in Seitengröße noch bessere Dienste leisten. Wie diese Skizzen, sind auch sämtliche Abbildungen des klugen und mit der wünschenswerten Sorgfalt gestalteten Bandes in Schwarzweiß gehalten. Vor allem in dem Kapitel 8 „Ikonographie der Macht“ stehen sie im Mittelpunkt und konstituieren im laufenden engen Dialog mit dem Text die jeweils vermittelte Aussage zum Wandel der Repräsentation der Herrscher im Lauf der besprochenen Epochen (minoische, mykenische und geometrische Zeit, archaische Welt, Poliswelt, Brückenschlag zum Hellenismus und Hellenismus, Diadochen, Karthager, römische Republik, augusteische Zeit, Spätantike inklusive Christusdarstellungen).
Kapfenberg Werner Augustinovic