Zwirlein, Susanne, Versprechen und Zufall. Eine historisch-vergleichende Studie zur Gefahrtragung beim Kauf beweglicher Sachen im englischen und deutschen Recht (= Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 372). Mohr Siebeck, Tübingen 2017. XIII, 331 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Seit Entstehung der Menschheit kann sich neben einem menschlichen Willen auch der von einem Willen völlig unabhängige Zufall als das Ergebnis, für das keine Gesetzmäßigkeit erkennbar ist, auswirken. Die Verfasserin schildert dies an einem Geschäft des Senators Thomas Buddenbrook, der sich bei Thomas Mann in dem Frühjahr 1868 dazu entschließt, dem ihm bekannten Gutsherrn Ralf von Maiboom in einer Geldnot durch den Kauf der kommenden Getreideernte zu einem geringen Preis unter sofortiger Barzahlung und unter Ausschluss etwaiger Rückzahlungspflichten zu helfen, wobei der Handel für Buddenbrook erfolgreich ist, wenn die Ernte ertragreich ausfällt, für Maiboom dagegen vorteilhaft, wenn der Ernteertrag gering ist. Da in der Wirklichkeit in dem Monat Juli des Jahres das gesamte noch auf dem Halm stehende Getreide durch einen Hagelsturm zerstört wird, verliert Buddenbrook den gezahlten Kaufpreis, ohne dafür einen Gegenwert zu erhalten, wodurch sein Unternehmen wirtschaftlich so schwer getroffen wird, dass sich der Niedergang der Buddenbrooks beschleunigt.

 

Mit dieser bedeutsamen Problematik beschäftigt sich die von Stephan Lorenz betreute und in dem Sommersemester 2016 von der juristischen Fakultät der Universität München angenommene Dissertation der 1989 geborenen, in München und Oxford in der Rechtswissenschaft ausgebildeten, zeitweise an dem Lehrstuhl ihres Betreuers wirkenden und inzwischen als Rechtsanwältin tätigen Verfasserin, die von der Notwendigkeit ausgeht, trotz der seit 2016 in Europa und besonders in Großbritannien eingetretenen Entwicklungen Europa ungeachtet institutioneller Folgerungen in seiner Vielfalt zu erhalten. Gegliedert ist ihre Untersuchung nach einem kurzen Vorwort in drei Kapitel. Sie betreffen die Problemstellung und Methode, das englische Recht und das deutsche Recht.

 

Nach sorgfältiger Betrachtung der unterschiedlichen geschichtlichen Entwicklung ermittelt die Verfasserin für die Risikoverteilung vor Gefahrübergang in beiden Rechtsordnungen das in dem Kern gleiche Ergebnis, dass der Schuldner, dem die Leistung ohne Verschulden unmöglich wird, von seiner Verpflichtung befreit wird und zugleich den Anspruch auf die Gegenleistung verliert, so dass er die Leistungsgefahr und umgekehrt der Gläubiger die Preisgefahr tragen muss. Sie kann aber zugleich ansprechend zeigen, dass die dogmatischen Systemzusammenhänge und die jeweilige historische Entwicklung von Unmöglichkeit und Gefahrübergang in dem englischen Recht und in dem deutschen Recht verschieden sind. Vor diesem Hintergrund erscheint es ihr mit gutem Grunde zweifelhaft, ob es angesichts des gegenwärtigen Entwicklungsstands der verschiedenen Rechte in Europa eine einheitliche gesamteuropäische Lösung für die Gefahrtragung bei dem Kaufe gibt, die jenseits der Rechtssetzungszuständigkeit ihrer Urheber einen Geltungsgrund in ihrer Eignung für die jeweiligen Einzelrechtsordnungen hat.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler