Wollenschläger, Ferdinand/Coester-Waltjen, Dagmar, Ehe für alle. Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare aus verfassungsrechtlicher und rechtsvergleichender Perspektive. Mohr Siebeck, Tübingen 2018. XV, 277 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Der Mensch ist als Teil der gesamten Welt in der Dimension Zeit sehr spät entstanden. An seinem Anfang hat er sich wohl ziemlich klaglos in die ihm vorgegebenen Umstände eingefügt und vor allem versucht, aus ihnen (ohne jede von ihm gesehene Notwendigkeit irgendeiner Ehe) das für ihm Mögliche zu machen. In dem Verlauf seiner Geschichte ist es ihm aber mit Hilfe seines Verstandes immer mehr gelungen, die vorgegebenen Bedingungen zu seinen Gunsten umzugestalten und dadurch seine Lebensumstände nach seinen Wünschen zu verbessern.

 

Nach dem derzeitigen Stand des Wissens waren die ersten Menschen von Anfang an – wie viele andere Lebewesen auch – in verschiedene Geschlechter geschieden, wobei diese Verschiedenheit Quelle zahlloser Leiden wie vielfältiger Freuden war. Vermutlich hat er auf der Suche nach größerer Ausgeglichenheit irgendwann die Einrichtung der Ehe erfunden, die in vielen menschlichen Kulturen das Zusammenleben jeweils eines Mannes mit einer Frau auf lange Zeit absicherte, ohne dass dies überall und jederzeit notwendig war. Spätestens in den Hochkulturen des Altertums hat sich diese Lebensformtrotz aller abweichenden Verhaltensweisen Einzelner als solche durchgesetzt.

 

Die damit verbundenen Einschränkungen der menschlichen Verhaltensfreiheit sind in der Neuzeit freilich zunehmend auf derartige Ablehnung gestoßen, dass sich in dem Sommer des Jahres 2017 binnen kürzester Zeit in dem Bundestag Deutschlands unter den von seinem Volke gewählten Abgeordneten eine bunte Mehrheit zusammenfand, die zu dem 1. Oktober 2017 ein Gesetz zur Einführung des Rechtes auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts verabschieden konnte, auf Grund dessen die Beschränkung der Ehe auf einen Mann und eine Frau ziemlich klanglos zu Gunsten vieler sich diskriminiert Fühlender  und ihrer Sympathisanten endete: Da die Staatsregierung Bayerns einen Rest von Bedenken gegen diese grundlegende Änderung zu hegen wagte, beauftragte sie die beiden Verfasser in dem Anschluss an die Verkündung des Gesetzes mit zwei Rechtsgutachten über die Thematik aus verfassungsrechtlicher und rechtsvergleichender Sicht. Im Ergebnis sprach für die Gutachter mehr dafür, dass der Gesetzgeber (aus welchen Gründen auch immer) die Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften öffnen darf, und waren seit 2001 den Niederlanden, die wohl (!) als weltweit erstes Land der Erde die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffneten,  so viele europäische und außereuropäische Gesetzgeber gefolgt, dass auch Bayern keine Chance mehr sah oder realistischerweise hatte, diesen Lauf der menschlichen Wünsche verfassungsrechtlich zu beeinflussen, selbst wenn jedenfalls bisher neue Menschen wie seit dem Beginn der Menschheit nur aus der Vereinigung einer Samenzelle eines Mannes mit einer Eizelle einer Frau entstehen können, was der Mensch aber möglicherweise eines Tages in seiner unabsehbaren Zukunft auch noch ändern können will und wird.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler