Wallnöfer, Adelina, Die politische Repräsentation des gemeinen Mannes in Tirol. Die Gerichte und ihre Vertreter auf den Landtagen vor 1500 (= Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 41). Wagner, Innsbruck 2017. 550 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Landstand ist seit dem Hochmittelalter die Gesamtheit der Angehörigen oder Vertreter verschiedener Bevölkerungsgruppen in einem Land, die in dualistischer Weise zusammen mit dem Landesherren die Herrschaft über das seit dem privilegium minus des Jahres 1156 aus dem älteren Volk erwachsen erkennbare territoriale politische Gebilde. Die Landstände entwickeln sich aus den Besseren und Größeren des Landes, die in wichtigen Angelegenheiten mitwirken wollen, können und müssen. Zu ihnen gehören vor allem die weltlichen Adligen, die geistlichen Adligen und die Städte sowie in Tirol auch die Bauern.
Mit ihnen und dem lange fortgeführten Bild Tirols als ältester Demokratie des europäischen Festlands beschäftigt sich die vorliegende, von Fridolin Dörrer und Josef Riedmann angeregte, von Johann Rainer und Josef Riedmann betreute Dissertation der in Prad an dem Stilfserjoch in Südtirol in einer kleinbäuerlichen Familie 1955 geborenen, nach dem Studium der Geschichte und der Germanistik in Innsbruck 1984 promovierten, seitdem in dem Schuldienst in Südtirol als Lehrerin für Deutsch, Geschichte und Geographie tätigen Verfasserin, die nach langer Zeit in überarbeiteter Form nunmehr gedruckt vorliegt. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über das Ständewesen, die „Landschaft der Bauern“ in der Tiroler Historiographie, den Forschungsstand und die Fragestellung in vier Teile. Sie betreffen die Gerichte und die Tiroler Landesfürsten von dem Ende des 13. bis zu dem Beginn des 15. Jahrhunderts, das Wirken der Tiroler Landschaft von 1417 bis 1490, die Gerichte auf den Landtagen und in den landschaftlichen Gremien und die Repräsentanten der Gerichte und werden jeweils durch eine Zusammenfassung abgeschlossen.
Im Ergebnis ihrer sorgfältigen Quellenstudien, die im
Anhang mit 180 Biographien von Hans Ahner bis Meister Hans Zimmermann
überzeugend dokumentiert sind, besetzten vor allem die Mitglieder der
wirtschaftlich stärksten, aber zahlenmäßig kleinsten Gruppe der auch
wirtschaftlich durchaus unterschiedlichen Gerichtsinsassen die wichtigen
öffentlichen Ämter in der Gemeindeverwaltung und der Gerichtsverwaltung.
Ausgewählt wurden die Gerichtsrepräsentanten und Landtagsvertreter, die etwa
ehrbar, weise oder vernünftig sein sollten, von Mitgliedern der
Gerichtsgemeinde oder von einem Gerichtsausschuss, wobei Bildungsgrad,
Sachkenntnis, Rechtswissen, Tüchtigkeit und Durchsetzungsvermögen bedeutsam
gewesen sein dürften. Dementsprechend sieht die Verfasserin mit Johannes
Dillinger das bäuerliche Abgeordnetenwesen nicht als Keimzelle oder Vorläufer
demokratischer Mitbestimmung, sondern als einen möglichen Aspekt der
Entwicklung zu dem Verwaltungsstaat und in Parallele zu der Ausbildung des
Beamtentums.
Wünschenswert wäre noch eine einfache tabellarische
Übersicht über die verschiedenen Gerichte. Auch die Landtage hätten ein
derartiges Hilfsmittel verdient. Auf diese Weise ließen sich die Gerichte und
ihre Vertreter auf den Landtagen vor 1500 als politische Repräsentation des
gemeinen Mannes in Tirol von jedermann ohne Schwierigkeit unmittelbar erkennen.
Innsbruck Gerhard Köbler