Wagner, Gerhard, Rechtsstandort Deutschland im Wettbewerb – Impulse für Justiz und Schiedsgerichtsbarkeit. Beck, München 2017. 264 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Zu dem Wesen des modernen Menschen gehört die Individualität und als deren Auswirkung das Streben nach Vorteil. Geschichtlich wird dies spätestens in den olympischen Wettkämpfen der antiken Griechen sichtbar, in deren Rahmen jeweils ein Sieger über grundsätzlich beliebig viele Verlierer triumphieren konnte. In der Gegenwart ist dieses Denken auf nahezu alle menschlichen Lebensbereiche ausgedehnt, darunter auch auf das Recht, für das die Souveränität eigentlich ein Monopol des jeweiligen Machthabers in dem ihm zugeordneten Herrschaftsgebiet garantiert, das aber bei allgemeiner Internationalisierung und Globalisierung nicht gänzlich ausgespart bleiben kann.

 

In diesem Zusammenhang fragt sich der in Berlin tätige bekannte Verfasser bereits in seinem Vorwort, wie schneiden die deutsche Justiz und der Schiedsplatz Deutschland in diesem Wettbewerb ab, wie ist der deutliche Rückgang der Eingangszahlen der deutschen Zivilgerichte um fast ein Viertel in den letzten zehn Jahren zu erklären und was wäre davon zu halten, wenn handelsrechtliche Streitigkeiten in hohem Maße in Schiedsgerichtsbarkeiten abgewandert wären. Dazu hat er  Stellung an dem 13. Juni 2017 auf einer Veranstaltung des Bundesministeriums der Jutiz und für Verbraucherschutz über Streitbeilegung – made in Germany und an dem 16. Juni 2017 auf einer Veranstaltung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz und der deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit bezogen. Seine vorliegende, von der Prämisse, dass Deutschland über leistungsfähige Zivilgerichte und hoch entwickelte Institutionen alternativer Streitbeilegung verfüge, ausgehende Studie ist aus diesen Vorträgen hervorgegangen und will mögliche Reformen auf die überzeugende  Erkenntnis gründen, dass das vorhandene Potential Deutschlands nicht immer in vollem Umfang ausgeschöpft wird.

 

Gegliedert ist die wichtige Studie in vier Teile. Sie betreffen die Frage nach einem Wettbewerbsmarkt für Streitbeilegung, den empirischen Befund der Zivilgerichtsbarkeit auf dem Rückzug, den Wettbewerb der Schiedsstandorte und den Wettbewerb der Justizsysteme. Im Ergebnis der durch einen statistischen Anhang, statistische Materialien und ein Literaturverzeichnis abgerundeten Untersuchung kann der Verfasser die  einleuchtende Überzeugung festhalten, dass zwar die unabänderlichen Gegebenheiten wie Geschichte, Kultur, Sprache, Wetter oder Netzwerke nicht verschwinden, wenn das deutsche Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Unternehmensverkehr reformiert, das Schiedsverfahrensrecht modernisiert und die Justiz Deutschlands um leistungsfähige Handelsgerichte bereichert wird, dass aber eine leistungsfähige Justiz, Schiedsgerichtsbarkeit und übrige Streitbeilegungslandschaft letztlich allen und damit der Wettbewerb auch in diesem Bereich dem Gesamtwohl aller und deswegen auch Deutschlands zugutekommt.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler