Statthalterregimes – Napoleons Generalgouvernements in Italien, Holland und Deutschland 1808-1814 – mit Blicken auf Generalgouverneure im Zarenreich und das NS-Generalgouvernement Polen (1939-1945), hg. v. Stubbe da Luz, Helmut (= Hamburg, Europa und die Welt 3). Lang, Frankfurt am Main 2016. 321 S., Ill. Kart. Besprochen von Werner Schubert.

 

Der von Stubbe da Luz herausgegebene Band vereinigt die Vorträge einer Ringvorlesung Ende 2010 an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Die Thematik dieser Vorlesungen beruht auf der von Stubbe da Luz herausgearbeiteten Konzeption Napoleons, mit Hilfe von Generalgouverneuren (Statthaltern) die Integration der mit dem Empire bereits vereinigten, aber noch nicht voll assimilierten Departements zu fördern und zu beaufsichtigen. Stubbe da Luz spricht insoweit von Generalgouvernements neuen Typs (hierzu insgesamt die Einführung S. 9-25). Die Generalgouvernements alten Typs dienten dagegen der Besatzungspolitik Napoleons als Ausschaltungs- und Disziplinierungsinstitution (vgl. S. 54ff. eine Zeittafel von Stubbe da Luz für die Jahre des französischen postrevolutionären Imperialismus und eine Übersicht über die Generalgouvernements neuen Typs). Fabio Bertini (emeritierter Historiker der Universität Florenz) behandelt die Generalgouverneure alten und neuen Stils in Italien (Transalpine Departements, Toskana und Rom; S. 85 -149). Nach Bertini konnte die französische Zeit als ein Fortschritt angesehen werden, während aus der Sicht der „Besatzer die Bilanz nicht durchgehend und überwiegend positiv“ sein konnte (S. 147). Insgesamt ist der Beitrag teilweise biografisch ausgerichtet. Die Versuche, das französische Rechts- und Justizsystem in den italienischen Departements zu verankern, hätte im Ganzen noch ausführlicher angesprochen werden sollen (vgl. hierzu Filippo Ranieri, in: H. Coing [Hrsg.], Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III 1, S. 177, Bd. III 3, S. 3209ff.; 1982, 1986). Nicht näher behandelt werden das Königreich Italien, das wie auch das Königreich Westphalen und die Großherzogtümer Berg und Frankfurt einem Generalgouvernement nicht unterstanden. Detailliert auch auf Rechtsreformen geht Martijn Jacob van der Burg (Professor an der Universität in Heerlen) in seinem Beitrag: „Napoleons Generalgouvernement Holland, 1810-1813. Die Frage von Integration und Assimilation“ (S. 151-182; bes. S. 171ff). ein. Der Beitrag von Stubbe da Luz: „Indirekte Herrschaft und direkte Herrschaft: Das Generalgouvernement der Hansestädte und das Generalgouvernement der Hanseatischen Departements“ (S. 183-207) ist weniger detailliert als die Beiträge Bertinis und van der Burgs (zur Implementierung französischer Rechtsinstitute in den Hansestädten vgl. Jan Jelle Kähler, Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen, 2007). Vergleichend zu den napoleonischen Generalgouvernements werden herangezogen die russischen Statthalterregimes/Generalgouvernements für die Zeit ab Beginn des 18. Jahrhunderts (hierzu Hans-Heinrich Nolte, S. 35-51; S. 45ff. über die Praxis insbesondere im 19. Jahrhundert) und „Hitlers Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete 1939-1945. Unvergleichbarkeit als Programm“ (Wolfgang Jacobmeyer; S. 209-221; S. 218ff. über die Wirtschafts- und Volkspolitik). Nach Jacobmeyer bezeichnet der Begriff „Generalgouvernement Polen“ ein „extremes Desaster“: „Wir haben uns nicht Gesellschaftspolitik vorzustellen; nicht Nutzung von Ressourcen, sondern deren Plünderung; nicht Grenz- oder Territorialpolitik, sondern Raumpolitik; nicht Recht, sondern Gewalt“ (S. 221).

 

Im letzten Teil des Werkes bringt Stubbe da Luz mit jeweils knappen Einleitungen die Statthalter- und Organisationsstatute für die italienischen, holländischen und hanseatischen Departements (S. 230ff.; ins Deutsche übersetzt und gekürzt; für Holland und Hamburg teilweise auch die Abschnitte über die Justiz). Für Russland wird ein Teil der Gouvernementsordnung Katharinas II. wiedergegeben (S. 226ff.), für Hitlers Generalgouvernement Erlasse des „Führers“ über die Organisation der Militärverwaltung und über die Verwaltung der besetzten polnischen Gebiete vom September/Oktober 1939. Das Werk wird abgeschlossen mit einem Personen- und Sachregister sowie mit einem Überblick über die Autoren des Bandes (S. 231).

 

Mit dem Band über die Statthalterregimes Napoleons hat Stubbe da Luz eine Theorie der internen und externen Statthalterschaften entwickelt, die vor allem für die Verfassungsgeschichte von Bedeutung ist. Für die Rechtsgeschichte der napoleonischen Zeit sind von großem Interesse die Beiträge über die Generalgouvernements in Italien, Holland und Nordwestdeutschland, die weitere Forschungsperspektiven insbesondere für die Justizgeschichte und die Implementierung französischer Institutionen eröffnen.

 

Kiel

Werner Schubert