Sozialistische Straftheorie und –praxis in Europa, hg. v. Steinberg, Georg (= Grundlagen des Strafrechts 2). Nomos, Baden-Baden 2018. 271 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Das Strafrecht ist von dem Menschen in der Geschichte entwickelt worden und ist dementsprechend in der Zeit veränderlich. Das bedeutet auch, dass sein Gewicht und viele seiner Einzelheiten in unterschiedlichen politischen Systemen verschieden bestimmt werden können. Für die Strafrechtsgeschichte kann es folglich eine interessante und bedeutsame Aufgabe sein, die einzelnen Vorgänge nachträglich zu beleuchten und zu erhellen.
Das vorliegende Werk stellt auf dieser allgemeinen Grundlage die Ergebnisse zusammen, die auf einer Tagung an der Universität Potsdam in dem November 2017 von den entsprechenden Sachkennern vorgetragen wurden. Gegliedert sind die insgesamt zehn Referate in drei Teile. Diese betreffen die ideengeschichtlichen Bezugspunkte und Hintergründe, die sozialistische Straftheorie und Strafpraxis in Ländern des Warschauer Paktes und danach besonders die Straftheorie und Strafpraxis in der früheren Deutschen Demokratischen Republik.
Dementsprechend fragt zunächst der 1974 geborene, in Heideberg (!), Genf und München in der Rechtswissenschaft ausgebildete, in Halle an der Saale 2004 mit einer Dissertation über Christian Thomasius als Naturrechtslehrer promovierte und in Hannover 2008 mit einer Schrift Herausgeber über richterliche Gewalt und individuelle Freiheit in dem Rahmen einer allgemeinen Prozesslehre habilitierte und dann an der Universität Köln, der European Business School Universität Wiesbaden sowie seit 2016 in Potsdam tätige Herausgeber, ob Karl Marx‘ Schriften eine theoretische Basis sozialistischer Strafrechtspraxis liefern, während Jochen Bung die Rechtsformanalyse bei Paschukanis betrachtet und Benno Zabel allgemein Theorie und Praxis herrschaftsbegründender Gewalt in dem Recht der postrevolutionären Gesellschaft behandelt. Anschließend werden die Volksrepublik Polen, der Schutz des Lebens in Ungarn und die Straftat der Ausschreitung in der Tschechoslowakei in Augenschein genommen. In dem dritten Teil widmen sich abschließend Benno Zabel, Arnd Koch, Sascha Ziemann und Moritz Vormbaum dem Verhältnis von Rechtsphilosophie und realexistierendem Sozialismus zwischen Kritik und Ideologie, der Todesstrafe, dem Wirtschaftsstrafrecht und dem möglicherweise praktizierten Feindstrafrecht in der früheren Deutschen Demokratischen Republik, wobei Herausgeber und Verfasser an dem Ende ein besonderes Sachregister in Gegensatz zu einem Autorenverzeichnis für entbehrlich gehalten haben.
Innsbruck Gerhard Köbler