Slawik, Julian, Die Entstehung des deutschen Modells zum Schutz von Unternehmensgeheimnissen – Ein Beitrag zur Geschichte des geistigen Eigentums (= Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht 126). Mohr Siebeck, Tübingen 2017. 778 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Wohl seit frühen Zeiten steht der Mensch zu den meisten Mitmenschen in einem Wettbewerb um die günstigsten Lebensbedingungen. Dessenungeachtet gab es für den Erfinder des Rades keinen Schutz für die von ihm entwickelte Möglichkeit der Herstellung dieses für die gesamte spätere Menschheit vorteilhaften Geräts, weil zu dieser Zeit selbverständlich jedermann ohne weiteres nachbauen durfte, was er bei einem anderen gesehen hatte. Erst in der Neuzeit setzte sich die Vorstellung allmählich durch, dass jede Idee eigentlich ihrem Urheber zu der ihn grundsätzlich ausschließlich begünstigenden vorrangig wirtschaftlichen Verwertung zusteht.
Mit einem Teilaspekt dieser Entwicklung beschäftigt sich die von Diethelm Klippel betreute und auch von Ansgar Ohly und die Stiftung der deutschen Wirtschaft geförderte, in dem Wintersemester 2015/2016 von der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth angenommene, für die Drucklegung redaktionell überarbeitete und geringfügig ergänzte Dissertation des 1982 geborenen, in Bayreuth und Cambridge ausgebildeten und nach der zweiten juristischen Staatprüfung seit 2015 als Rechtsanwalt in München tätigen Verfassers. Die umfangreiche Untersuchung gliedert sich nach einer Einleitung über Unternehmensgeheimnisse als Kristallisationspunkte divergierender Interessen und die historische Dimension ihres rechtlichen Schutzes in drei Teile. Diese betreffen die prägende Vorgeschichte in den Strafgesetzbüchern der deutschen Staaten vor 1871 und das Unternehmensgeheimnis in der Patentkontroverse, die Kontroverse über die (Wieder)Einführung eines Schutzes von Unternehmensgeheimnissen in dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von 1896 und die weitere Behandlung dieses „Kompromissgesetzes“ in Literatur, Rechtsprechung und Gesetzgebung bis zu der Reform von 1909 und einem Ausblick auf Korrekturen an dem und Diskussionen in dem etablierten deutschen Modell zu dem strafrechtlichen und privatrechtlichen Schutz von Unternehmensgeheimnissen.
Insgesamt kann der Verfasser in seiner auf umfangreiche Quellen und Literatur gestützten detaillierten Untersuchung ansprechend zeigen, dass die wesentlichen Entwicklungen in dem Zeitraum zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und der Mitte des 20. Jahrhunderts vollzogen wurden. Zwar gab es nach Inkrafttreten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb von 1896 Versuche, einen weitergehenden strafrechtlichen Schutz von Unternehmensgeheimnissen durchzusetzen, doch zogen Reichsregierung und Reichstag in dem Rahmen der Reform des Jahres 1909 eine Ausweitung des strafrechtlichen Schutzes nicht ernsthaft in Erwägung. Durch § 1 UWG des Jahres 1909 wurde gleichwohl das deutsche Modell des Schutzes von Unternehmensgeheimnissen um ein weiteres charakteristisches und bis in die Gegenwart prägendes privatrechtliches Element ergänzt.
Innsbruck Gerhard Köbler