Schöps, Silke, Vom Stimmrecht zum Wahlrecht – Eine rechts- und verfassungsgeschichtliche Untersuchung zur politischen Partizipation von Frauen im Rahmen des bürgerlichen Verfassungsstaates des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts insbesondere in Sachsen. SV Saxonia Verlag für Recht, Wirtschaft und Kultur, Dresden 2017. LXI, 539 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Spätestens seit den Hochkulturen des Altertums war die Welt der Menschen zumindest äußerlich patriarchalisch geprägt. Die wohl überwiegend größeren, stärkeren und schnelleren Männer bestimmten das Geschehen in der Außenwelt, die wohl überwiegend kleineren, schwächeren und langsameren Frauen die inneren Beziehungen zu den Kindern und ab der Sesshaftwerdung in dem Haus. Diese grundsätzliche Rollenverteilung änderte sich wesentlich anscheinend erst mit der Aufklärung.

 

Die vorliegende umfangreiche Untersuchung ist die bis zu seinem Tode in dem August 2015 von Dieter Wyduckel und danach von Martin Schulte betreute, in dem Sommersemester 2016 von der juristischen Fakultät der Technischen Universität angenommene Dissertation der bereits durch verschiedene aktuelle Editionen moderner Rechtsquellen hervorgetretenen, politisch aktiven Verfasserin. Sie gliedert sich nach Inhaltsverzeichnis, Quellen- und Literaturverzeichnis, Abkürzungsverzeichnis und Einführung und Literaturstand (Aufgabenstellung und Ziel der Arbeit, Literaturstand, Gang der Untersuchung) in sieben Kapitel mit weiteren 18 chronologisch geordneten Untereinheiten. Sie betreffen begrifflich-systematische und verfassungsgeschichtliche Voraussetzungen, das Wahlrecht nach der Verfassungsgebung von 1831 und der Staatsreform 1831-1835, die Entwicklung des Frauenstimm- und Wahlrechts von 1838 bis 1866, die Reformphase nach dem Beitritt zu dem norddeutschen Bund 1866 und der Gründung des Kaiserreichs 1871, die Zeit von den Wahlrechtskämpfen um 1900 bis zu dem Ende der Monarchie in Sachsen 1918 und schließlich die Einführung des Frauenwahlrechts nach dem Ende der Monarchie in Sachsen.

 

In ihrer sorgfältigen und umsichtigen Untersuchung geht die Verfasserin davon aus, dass die schon kurz nach der Wende zu dem 19. Jahrhundert in Sachsen einetzende industrielle Entwicklung einen Strukturwandel bewirkte, der auch die überkommene Stellung der Frauen berührte. In der Folge kann sie zeigen, dass das Geschlecht nur eines von mehreren Ausschlusskriterien für das Stimmrecht und Wahlrecht war, dass sich aber in Sachsen aus der ständischen Gesellschaft ein an das Grundeigentum gebundenes Stimmrecht auch für einzelne Frauen erhalten hatte, das aber als politisches Instrument praktisch bedeutungslos war. Bis in das 20. Jahrhundert gab es für ein Frauenwahlrecht zu der zweiten Kammer des Parlaments keine Mehrheit, doch kam mit der Novemberrevolution des Jahres 1918 der Umbruch gemäß den Forderungen der sozialdemokratischen Partei zu einem allgemeinen Wahlrecht für beide Geschlechter (Aufruf des Rates der Volksbeauftragten an das deutsche Volk von dem 12. November 1918, Verordnung über die Wahlen zu der Volkskammer der Republik Sachsen von dem 17. Dezember 1918), wobei allerdings zu den ersten Wahlen zu Beginn des Jahres 1919 Frauen nur in geringer Zahl antraten und in der Regel nur eine sehr ungünstige Platzierung auf den Listen erhielten.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler