Schroth, Fabian, Praxistest für das ALR – Das Nichtehelichenrecht des Preußischen Allgemeinen Landrechts in der Rechtsprechung des Kammergerichts 1794-1803 (= Rechtsprechung, Materialien und Studien = Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main 33). Klostermann, Frankfurt am Main 2016. XV, 339 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten als das zu dem 1. Juni 1794 wenige Jahre nach der bürgerlichen Revolution in Frankreich mit Vorbehalten in Kraft gesetzte umfassende Vernunftrechtsgesetzbuch des Königreichs Preußen in dem Heiligen römischen Reich war, wie auch die anderen Kodifikationen dieser Zeit, der Vernunft des Menschen zumindest theoretisch besonders verpflichtet. Auch wenn es auf der Kenntnis einer langen und reichen Vergangenheit beruhte, konnte es für die Zukunft nur ein ungewisser Lösungsversuch sein. Dementsprechend ist seine Bewährung in der Praxis des täglichen Lebens an Hand der Entscheidung des zuständigen Obergerichts eine bedeutsame und gewichtige Fragestellung.

 

Sie versucht die von Rainer Schröder bis zu seinem überraschenden Tod betreute und der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin Anfang 2012 vorliegende Dissertation des seit 2000 an der Universität Bonn, 2002 in Genf und danach an der Humboldt-Universität Berlin in Rechtswissenschaft ausgebildeten, nach der zweiten juristischen Staatprüfung des Jahres 2008 als wissenschaftlicher Assistent und seit Februar 2012 als Rechtsanwalt tätigen Verfassers. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über den Gegenstand der Untersuchung, die Relevanz des Themas und die Zielsetzung und Vorgangsweise in zwei Teile. Sie betreffen die Hintergründe und Rahmenbedingungen und die Implementierung des Nichtehelichenrechts des Allgemeinen Landrechts.

 

In seinen Ergebnissen kann der Verfasser zeigen, dass das gesamte Nichtehelichenrecht des Landrechts von dem aufgeklärten Streben nach Verringerung des Kindesmords geprägt ist, wenn auch Großkanzler und Justizminister zunächst eine deutliche Klärung der Geltung des Nichtehelicherechts unterlassen, so dass letztendlich die persönliche Meinung des Richters dafür ausschlaggebend ist, ob er das Nichtehelichenrecht anwendet. Mit dem Nichtehelichenrecht greift das Allgemeine Landrecht inhaltlich vor allem auf Grundsätze des gemeinen Rechtes zurück, entscheidet viele alte Streitigkeiten und ordnet die Regelung systematisch. Die tatsächliche Anwendung hängt demgegenüber in erheblichem Umfang von der vorsichtigen Einstellung der Richter ab, so dass bei Ablehnung der Wertungen in dem Nichtehelichenrecht des Allgemeinen Landrechts durch den jeweiligen Richter die praktische Umsetzung nur mit deutlichen Abstrichen erfolgt, was nach der ansprechenden Einschätzung des Verfassers in gewisser Weise auch für andere Sachbereiche des Allgemeinen Landrechts gelten dürfte.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler