Rumpke, Nadine, Der Wandel des Ehescheidungsrechts im 20. Jahrhundert. Auswirkungen und Hintergründe (= Studien zum Familienrecht 57). Kovač, Hamburg 2017. XXXIX, 236 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Wann die Ehe und damit die Eheschließung und vielleicht auch die Ehescheidung in der Geschichte der Menschheit entstanden sind, ist unbekannt, obwohl die Ehe über weite Strecken der genauer bekannten Menschheitsgeschichte große und wohl grundlegende Bedeutung hatte. In der jüngsten Vergangenheit hat sie zumindest in der Form der Ehe für alle eine grundsätzliche, früher wohl kaum denkbare und auch mit Primärmotivationen kaum erklärbare Wandlung erfahren. Auf dem Wege dorthin ist der jüngere Wandel des Ehescheidungsrechts von beachtlichem Erkenntnisinteresse.
Mit ihm beschäftigt sich die von Hans-Jürgen Ahrens betreute und an dem 28. September 2016 angenommene und ihrer Mutter gewidmete Dissertation der Bearbeiterin. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über das Ziel der Arbeit, den Stand der Forschung und den Gang der Untersuchung in vier Sachkapitel. Diese betreffen die Analyse der Ehescheidungsstatistiken, die Geschichte des Ehescheidungsrechts ab Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1896, die Ursachen für die Entwicklung der Scheidungsstatistik aus soziologischer Sicht und das neue Unterhaltsrecht seit 1. Januar 2008, woran ein Gesamtergebnis und neun kaum noch leserlich gedruckte Statistiken über gerichtliche Ehescheidungen in Deutschland seit 1950, Ehescheidungen nach Bundesländern, durchschnittliche Ehedauer bis zu der Ehescheidung, durchschnittliches Alter der Geschiedenen, Ehescheidungen nach dem Altersunterschied der Ehegatten 2005 bis 2013, Ehescheidungen, unterschieden nach der Entscheidung in der Ehesache und dem Antragsteller 1990-2013, geschiedene Ehen nach der Zahl der Betroffenen (!) Kinder dieser Ehe, geschiedene Ehen nach der Staatsangehörigkeit der Ehegatten sowie Eheschließung und Eheauflösung in der Deutschen Demokratischen Republik angefügt sind.
Das Hauptinteresse der Verfasserin gilt den Ursachen für den Anstieg der Ehescheidungszahlen in dem 20. Jahrhundert und in diesem Rahmen dem Einfluss des Ehescheidungsrecht, wozu die Verfasserin das Ergebnis ermittelt, dass der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1896 zwar versucht hatte, mit der Beschränkung der Ehescheidungsbestände auf Verschulden die Ehescheidungszahlen zu verringern, die Ehescheidungszahlen aber dessenungeachtet in dem Deutschen Reich ständig anstiegen, so dass die Bearbeiterin daraus folgert, dass ein strenges Ehescheidungsrecht Ehescheidungen nicht verhindert. An Hand des Rechtes während der nationalsozialistischen Herrschaft und des Rechtes der früheren Deutschen Demokratischen Republik kann die Verfasserin zeigen, dass besondere Umstände die Ehescheidungszahlen erheblich ansteigen lassen können, dass aber die Einführung des Zerrüttungsprinzips eher zunächst zu einem Rückgang der Ehescheidungszahlen führte. In ihrem Hauptergebnis hält die Verfasserin demensprechend fest, dass der Anstieg der Ehescheidungszahlen kaum auf dem Ehescheidungsrecht, sondern weitgehend auf anderen gesellschaftlichen Veränderungen beruht, weshalb sie eine Berücksichtigung der gesellschaftlichen Verhältnisse bei Veränderungen des Ehescheidungsrechts anrät, wobei die Wahrung der Privatsphäre, der wirtschaftlichen Folgen und der Schutz der minderjährigen ehelichen Kinder beachtet werden sollte oder muss.
Innsbruck Gerhard Köbler.