Pitzer, Saskia, Die Mieteinigungsämter zwischen 1914 und 1918 (= Rechtsgeschichtliche Studien 78). Kovač; Hamburg 2017. XVIII, 357 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Die Mieteinigungsämter, deren Errichtung entsprechend einer Bekanntmachung des Bundesrats vom 15. 12. 1914 in Verbindung der Ausführungsverordnungen der Bundesstaaten auf Antrag der Ortsgemeinden von den Landeszentralbehörden errichtet werden konnten, sind bisher noch nicht Gegenstand einer eigenen rechtshistorischen Untersuchung gewesen. Es ist deshalb zu begrüßen, dass sich Pitzer dieser Thematik unter Einbeziehung des Aktenbestandes der Stadtarchive Düsseldorf und Bergisch-Gladbach und unter Auswertung von Tageszeitungen angenommen hat. Ende 1914 bestanden Mieteinigungsämter, die jedoch keine Zwangsbefugnisse hatten, bereits in mehreren Großstädten (S. 70ff.); diese konnten in Mieteinigungsämter entsprechend der Bekanntmachung von 1914 umgewandelt werden, welche die Parteien verpflichten konnten, vor ihnen zu erscheinen. Eine Verpflichtung der Gemeinden zur Errichtung von Mieteinigungsämtern bestand nicht, wobei bei deren Fehlen die Amtsgerichte für die mietrechtlichen Zahlungsstreitigkeiten zuständig waren. Jedoch konnten ab 1917 die Landeszentralstellen die Gemeinden dazu anhalten, ein Amt zu errichten (S. 126). Die Einigungsämter konnten zunächst nur auf einen „billigen Interessenausgleich“ (S. 165) hinwirken. Erst mit den Mieterschutzgesetzen von 1917/1918 erhielten die Mieteinigungsämter auch Entscheidungsbefugnisse.

 

In Teil 2 (S. 7-58) kennzeichnet Pitzer zunächst den Mangel an Kleinwohnungen insbesondere in der zweiten Hälfte des ersten Weltkriegs und die „Missstände“ im Gerichtsverfahren über Mietstreitigkeiten. In Teil 3 geht sie ein auf die „Reaktionen der gesetzgebenden Gewalt auf Krise von Wohnungsmarkt und Mietrecht“ (S. 59-115). Insbesondere werden behandelt die Bekanntmachungen über die Mieteinigungsämter, deren Befugnisse und das vor ihnen geltende Verfahren. Hinsichtlich der Zuständigkeit der Ämter hätten die Mieterschutzverordnungen von 1917 und 1918 detaillierter erläutert werden sollen.

 

In Teil 4 (S. 117-294) befasst sich Pitzer mit der „Anwendung der Bekanntmachungen in der Praxis der Mieteinigungsämter - Diskussionen und Analysen“. Von besonderem Interesse ist der Abschnitt über die Befugnisse der Mieteinigungsämter insbesondere hinsichtlich der Überprüfung der Wirksamkeit von Kündigungen, der Fortsetzung des Mietverhältnisses und der Aufhebung von Mietverträgen. Die Entscheidungen waren zunächst unanfechtbar; erst 1923 wurde die Möglichkeit einer Rechtsbeschwerde geschaffen (hierzu Jens-Uwe Petersen, Die Vorgeschichte und die Entstehung des Mieterschutzgesetzes von 1923 nebst der Anordnung für das Verfahren vor dem Mieteinigungsamt und der Beschwerdestelle, 1991, S. 171). Im knappen Resümee vermisst der Leser einen Ausblick auf das weitere Schicksal der Mieteinigungsämter, für die in den 1920er Jahren noch wichtige Verordnungen ergingen. Wie Pitzer S. 297 feststellt, übernahmen 1942 die Amtsgerichte die Aufgaben der Mieteinigungsämter, die als solche, wenn auch mit verminderten Zuständigkeiten, bis in die 1960er Jahre bestanden. Das Werk wird abgeschlossen mit der Wiedergabe der für die Einigungsämter maßgebenden Gesetzestexte bis zum September 1918 (S. 299f.). Im Abschnitt über die Quellen der Untersuchung (S. 5f.) wird nichts darüber gesagt, ob und inwieweit eine Aktenüberlieferung im Bundesarchiv über die Mieteinigungsämter existiert. Über den Inhalt der Aktenbestände der Stadtarchive Düsseldorf und Bergisch-Gladbach hätte man gerne detailliertere Informationen erhalten. Finden sich dort Angaben über die Zusammensetzung und die Sitzungen der Mieteinigungsämter? Ergeben sich aus den Beständen der genannten Archive nähere Informationen über die von den Einigungsämtern zu erstattenden Gutachten (S. 105ff.) und über die aufgrund der ersten Mieterschutzverordnung ergangenen Entscheidungen? Insgesamt macht die Untersuchung von Pitzer aufmerksam auf eine Institution, welche die Mietrechtspraxis über Jahrzehnte geprägt hat. Es zu wünschen, dass die Geschichte und Praxis der Mieteinigungsämter insbesondere für weitere Ämterbezirke und für die Zeit nach 1918 in weiteren Monografien erschlossen wird.

 

Kiel

Werner Schubert