Peters, Gwendolyn, Kriminalität und Strafrecht in Kiel im ausgehenden Mittelalter. Das Varbuch als Quelle zur Rechts- und Sozialgeschichte (= Kieler Werkstücke, Reihe A Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte 45). Lang, Frankfurt am Main 2017. XV, 161 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Einzelne Menschen haben sich wohl seit Entstehung der Menschheit abweichend von anderen verhalten, worauf die Mitmenschen ganz unterschiedlich reagieren konnten. Zwecks Verhinderung unerwünschten abweichenden Verhaltens entwickelten schon die Hochkulturen des Altertums das besondere Strafrecht, das von der Öffentlichkeit gegen Täter verhängte Strafen vorsah, ohne dass dadurch das gesamte Verhalten zu durchgehender Rechtstreue verändert wurde. Sachliche Voraussetzung für solche Regeln war dabei wohl ein handlungsfähiger und an der Einhaltung von Regeln zu dem Schutze der Allgemeinheit interessierter Staat.

 

Da es einen solchen bei den Germanen und in dem Frühmittelalter noch nicht gab und der Verletzte auf Selbsthilfe angewiesen war, entwickelte sich während dieser Zeit in diesen Räumen auch noch kein Strafrecht. Dies änderte sich anscheinend mit dem Hochmittelalter, wofür der Sachsenspiegel ein beredtes Zeugnis ablegt. Die in diesem Zusammenhang stehende Veröffentlichung ist nach dem Vorwort der Verfasserin eine überarbeitete Fassung ihrer von Johannes Rosenplänter angeregten, von Oliver Auge und Andreas  Bihrer  begleiteten und in dem April 2016 an dem Lehrstuhl für Regionalgeschichte der Universität Kiel eingereichten Masterarbeit, die sich nach einer kurzen Einleitung in acht Sachkapitel gliedert und von dem zwischen 1465 und 1546 auf Geheiß von Ratsherren unregelmäßig geführten Stadtbuch ausgeht, von dessen 68 Einträgen 66 Fälle von Gerichtsverhandlungen über 74 Angeklagte betreffen.

 

Als Kapitaldelikte treten in der auf lübischem Recht beruhenden Quelle Tötungsdelikte, Diebstahlsdelikte, Zauberei, Brandstiftung, Vergewaltigung und Landesverrat auf, wobei Ortsansässige mit sozialem Netzwerk, hoher gesellschaftlicher Stellung und Vermögen begünstigt wurden. Zwar trat nach den Erkenntnissen der Verfasserin Kriminalität in allen gesellschaftlichen Schichten auf, doch wurde Diebstahl vor allem von randständigen Gesellschaftsmitgliedern verübt und waren Frauen nicht in Tötungsdelikte verwickelt, wurden aber wegen Zauberei verurteilt. Für die spätere Zeit kann die Verfasserin der sorgfältigen Einzeluntersuchung einen zunehmenden Einfluss des gelehrten Rechtes feststellen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler