Nordhofen, Eckhard, Corpora. Die anarchische Kraft des Monotheismus. Herder, Freiburg im Breisgau 2018. 331 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Nach dem gegenwärtigen Stand des menschlichen Wissens begann das aktuelle Universum zu einem in der Dimension Zeit einigermaßen genau berechenbaren Augenblick wunderbarerweise mit einem bisher unerklärlichen Urknall oder big bang. Danach bildeten sich allmählich aus dem dabei entstandenen Gasen Wasserstoff und Helium Galaxien, die weiteren 90 natürlichen Elemente, das Sonnensystem mit dem Planeten Erde, die Luft, das Wasser und das Leben. Irgendwann entstanden daraus die Einzeller und die späteren, in Pflanzen und Tiere teilbaren Lebewesen und schließlich aus den Wirbeltieren die Primaten sowie als deren bisheriger Schlussstein der Mensch mit der in ihm und von ihm entwickelten Sprache.

 

Den besonderen Teilaspekt des Monotheismus behandelt in diesem Zusammenhang das vorliegende Werk des 1945 geborenen, in Frankfurt am Main in Theologie, Germanistik und Philosophie ausgebildeten, 1974 mit einer philosophischen Dissertation über das Bereichsdenken im kritischen Rationalismus promovierten, ab 1990 Religionslehrer für Gymnasien ausbildenden, 1997 von der Deutschen Bischofskonferenz zu dem Leiter der Zentralstelle Bildung gewählten, von 2006 bis 2010  als Leiter des Dezernats Bildung und Kultur in dem Bistum Limburg tätigen und von der Universität Gießen zu einem Honorarprofessor für theologische Ästhetik und Bildtheorie berufenen Verfassers. Er gliedert seine vielfältige, viele bekannte Zitate einbindende Darstellung nach einer Einleitung in drei Teile.  Sie betreffen die großen Medien (Kult und Differenz), Geschichte und Motive sowie das Medium der Vorenthaltung.

 

Dabei geht der Verfasser auf der Suche nach dem Monotheismus von der Schrift als dem Körper der Offenbarung und einer Entscheidung zwischen Griechenland und Israel aus und verbindet die Entstehung des Monotheismus der Juden mit der Deportation führender jüdischer Schichten nach Babylon in der kurzen Zeit zwischen 587 und 539 v. Chr. Im Anschluss hieran wendet er sich der Sprache als Urmedium, dem Bild, Konjunkturen der Aufklärung, dem Namen, der Geschichte der Erzählung, dem Bund und dem Tauschprinzip, der Grapholatrie, der Schriftkritik in dem Neuen Testament, dem wahren Verständnis der vierten Bitte des Vaterunsers (gib uns täglich – nicht tatsächliches, sondern supersubstantiales oder überwesentliches - Brot), der Grapholatrie in dem Christentum, der Einverleibung des Singulars und der anarchischen Kraft des Monotheismus zu. In seinem Ergebnis folgen Mensch (vielleicht vor 160000 Jahren), Bild (vielleicht vor 40000 bis 32000 Jahren), Schrift (Keilschrift und Hieroglyphen, 3300-3200 v. Chr.) und Leib bzw. Inkarnation (Christi um 33 der gegenwärtigen Zeitrechnung) ziemlich selbverständlich aufeinander, doch fragt sich, wie sehr die genaue tatsächliche Entwicklung diesen wortgewandt vorgetragenen und verflochtenen, vor allem für die Überzeugungskraft des Christentums noch in der globalisierten Moderne bedeutsamen Darlegungen wirklich entspricht.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler