Nationalsozialismus und Recht. Zweite und dritte Babelsberger Gespräche, hg. v. Hermann, Hans-Georg/Lahusen, Benjamin/Ramm, Thilo u. a. Nomos, Baden-Baden 2018. 313 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Der in Darmstadt 1925 als Sohn eines früh verstorbenen kaufmännischen Angestellten geborene hochbegabte und geschichtlich sehr interessierte Thilo Ramm entwickelte trotz Zugehörigkeit zu dem Jungvolk des Nationalsozialismus wegen des Kriegstods seines 1942 gefallenen Bruders bald einen persönlichen Hass gegen Adolf Hitler. Während des nach dem Abitur in Marburg aufgenommen und in Breslau, Frankfurt am Main und wieder Marburg weiter betriebenen Studiums wurde er Gegner des Nationalsozialismus und verlor wegen des Erzählens politischer Witze die zunächst zugestandene Rückstellung von dem Wehrdienst, so dass er in einer Nachrichtenaufklärungseinheit der Reichswehr in Frankreich eingesetzt wurde. Nach seiner bei Fritz von Hippel in Marburg 1949 erfolgten Promotion über Ferdinand Lassalle und der nach einer Tätigkeit als Geschäftsführer der Gesellschaft zur Wahrung der Bürgerrechte ebenfalls bei Fritz von Hippel in Freiburg im Breisgau mit einer Schrift über die großen Sozialisten als Rechts- und Sozialphilosophen erreichten Habilitation wurde er 1962 nach Gießen und 1977 an die Fernuniversität Hagen berufen, wo er in erster Linie arbeitsrechtlich und allgemein privatrechtlich wirkte, sich aber bereits 1984 besonders dem nationalsozialistischen Familienrecht und Jugendrecht widmen konnte.
Seine frühe Gegnerschaft zu dem Nationalsozialismus gewann wieder an Gewicht, nachdem er zusammen mit Stefan Christoph Saar in Potsdam-Babelsberg eine allgemeine Grundlage gefunden hatte, aus der sich Babelsberger Gespräche über Nationalsozialismus und Recht entwickeln konnten. Nach dem Vorwort des vorliegenden, Thilo Ramm nach seinem Tode an dem 17. Juni 2018 gewidmeten Bandes ermunterte die positive Resonanz auf die erste Tagung zu einer Fortsetzungstagung in München 2013 und zu einer dritten Tagung in Rostock 2015. Sie waren und sind nicht einem einheitlichen Projekt geschuldet, sondern dem Bedürfnis, vielfältige (und dabei gelegentlich auch nicht notwendig neue) Aspekte und Perspektiven thematisch zu bündeln, aus dem heraus schließlich dreizehn Referate zu einem nicht leicht zu veröffentlichenden Sammelband vereinigt werden konnten, der in vier Abschnitte über Präliminarien, Herrschaftstechnik und Herrschaftsfelder allgemein, Kirchen und Wissenschaft gegliedert ist.
An seinem Beginn steht ein Bericht Bernd Rüthers‘ über Stand und Säumnisse der NS-Forschung 2013, an den sich ein Überblick über Recht und Moral in dem Nationalsozialismus durch Hubert Rottleuthner anschließt. Es folgen Studien über Führererlass und Gesetz, Volksgemeinschaft, Ehegesetz, Juden, den Führerstaat im Frieden (Thilo Ramm), Gauleiter, katholische Kirche, evangelische Kirche, den Universitätshistoriker Edward Y. Hartshorne, die völkerrechtliche Diskussion vor 1933 und die Sumpfblüte des Völkerrechts in dem Nationalsozialismus mit den wechselnden Zwecken der Völkerrechtsgeschichtsschreibung seit dem 16. Jahrhundert. Ein Verzeichnis der insgesamt 12 Verfasser und ein von Akademie für deutsches Recht bis Zivilrechtslehrervereinigung reichendes Verzeichnis von Namen und Sachen runden den vielfältigen interessanten Band hilfreich ab.
Innsbruck Gerhard Köbler