Maier, Bernhard, Die Ordnung des Himmels. Eine Geschichte der Religionen von der Steinzeit bis heute. Beck, München 2018. 576 S., 50 Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Religion ist das Ergriffenwerden vom Göttlichen oder nach Wikipedia ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Weltanschauungen mit jeweils grundlegendem Glauben an transzendente Kräfte und bzw. oder heilige Gegebenheiten. Eine Geschichte der Religionen von der Steinzeit bis heute stellt dementsprechend eine faszinierende, schwierige Aufgabe dar. Initiiert ist ihre Verwirklichung von Ulrich Nolte als Lektor des veröffentlichenden Verlags, bearbeitet von dem in Tübingen für allgemeine Religionswissenschaft und europäische Religionsgeschichte tätigen Verfasser, der schon 2002 die Religion der Kelten und 2003 die Religion der Germanen erkundet und dargestellt hat.
Sein eindrucksvolles Werk gliedert sich nach einer umsichtigen Einleitung in den komplexen Gegenstand in fünf Teile. Diese betreffen die Anfänge bis zu dem Ende der altorientalischen Großreiche, die Zeit von dem Hellenismus bis zu dem Aufstieg des Islam, Europa und Asien im Zeichen der Weltreligionen (Christentum, Islam, Buddhismus), die Zeit von der Entdeckung Amerikas bis zu dem Ende des Zeitalters der Aufklärung und die Zeit von dem Beginn der Industrialisierung bis zur Gegenwart. Ein Anhang bietet eine Zeittafel, die ab etwa 80000 vor Christi Geburt mit ersten Bestattungen des Neandertalers bzw. ab etwa 40000 v. Chr. mit ersten Bestattungen des Homo sapiens einsetzt und bis zu der Zerschlagung des Islamischen Staates in Irak und Syrien in den Jahren 2016/2017 reicht, Hinweise zur Schreibung und Aussprache fremdsprachiger Namen und Begriffe, Anmerkungen (494-517), Literatur (518-563), einen Nachweis der mit einem jungsteinzeitlichen Hockergrab aus Rössen in Thüringen in dem fünften vorchristlichen Jahrtausend einsetzenden Schwarzweißabbildungen und ein Register von Abbasiden bis Zwingli bzw. Zwölfer-Schiiten.
Nach dem einhüllenden Umschlagtext erkunden seit Urzeiten Menschen den Willen der Götter, befolgen deren heilige Ordnung und hoffen auf Erlösung, ohne dass sich sicher feststellen lässt, welcher Neandertaler wann vielleicht sich einen ersten Gott in seiner Vorstellung erschuf. Ansprechend verknüpft der Verfasser fragend vorgeschichtliche Bestattungen mit religiösen Überlegungen. Dementsprechend beschreibt er Bestattungen als wahrscheinliches gemeinschaftliches Ritual, Gräber als Ausdruck kollektiver Identität und verbindet Totenfürsorge und Totenabwehr mit ältesten Vorstellungen von Seele.
Danach findet er vielleicht schon in der Altsteinzeit und jedenfalls in der Jungsteinzeit Bilder sowie Götter und Göttinnen. Mit Ägypten, Mesopotamien und Indien erreicht er sicheren Boden. Bei Echnaton macht er bereits den Monotheismus sichtbar.
Im Einzelnen kann er danach Zeichendeutung, Opfer und Gebet behandeln, Kultstätten, Tempel und Feste sowie Mythen und ihre Deutung, bei denen Homer zeitlich an der Spitze steht. Von Griechenland aus weitet sich der vergleichende Blick auf Indien und Mesopotamien. Aus allem gewinnt der Verfasser Ansätze einer interessanten vergleichenden Mythenforschung.
Auf diesen allgemeinen Grundlagen untersucht er Religionen als Erlösungswege aus dem Unheil der Welt, betrachtet Formen wechselseitiger Beeinflussung bei Zarathustra sowie in dem hellenistischen Judentum und gelangt von hier aus zu den Anfängen des Christentums und des Islam. Schon früh versuchen (die Führer von) Religionen eine Festlegung von (angeblich) durch Offenbarung gewonnenen Lehren in Büchern wie Bibel und Koran. Die anfängliche Verfolgung ihrer (neuen) Lehren wird dabei als Folge zunehmender Überzeugungskraft bei mehr und mehr Menschen zu Duldung und Förderung (von Buddhismus, Christentum und Islam), wobei der Erfolg die Organisation der Gedankengebilde durch damit und davon lebende Funktionäre bewirkt.
In der Folge stellt der Verfasser vielfältige weitere Entwicklungen dar. Sie zeigen weltweite Erfolge unterschiedlichster Religionen trotz allgemeiner vernünftiger Aufklärung bis in die unmittelbare Gegenwart. Durch die Religion sehen zahllose Menschen die Gegebenheiten des von dem unbekannten Wunder des Lebens bis zu dem unabweislichen Ende bestimmten Seins befriedigender erklärt, so verschieden und ungewiss die Einzelheiten der Erklärungen auch sind.
Nach dem Verfasser ist die Ordnung des Himmels ewig(, jedenfalls in dem Vergleich zur Kürze des individuellen Seins). Gleichwohl hat sie mit dem Urknall aus heutiger Sicht einen zeitlichen Anfang und damit (voraussichtlich) auch ein Ende. Dass die Religion in diesem weiten Rahmen dem Menschen eine Hilfe war, ist und vielleicht auch noch bleibt, möge vielen Lesern des gedankenreichen, vorsichtig schließenden Werkes zu immer neuem Trost werden.
Innsbruck Gerhard Köbler