Lokatis, Siegfried/Kräußlich, Sophie/Leinemann, Freya, Luchterhand im Dritten Reich. Verlagsgeschichte im Prozess. Hauswedell, Stuttgart 2018. 225 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Hermann Karl Wilhelm Luchterhand gründete in Berlin 1924 einen Fachverlag für Steuern und Recht, in dem er zunächst ein Informationsblatt zu Steuerthemen veröffentlichte. 1934 ernannte er Eduard Reifferscheid als Prokuristen und zog sich wenig später aus bisher unbekannten Gründen in das Privatleben zurück. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde der Sitz des Verlags von Berlin nach Neuwied verlegt, wo ab 1954 mit dem Aufbau eines literarischen Programms begonnen wurde.
Nachdem 2012 in der taz ein Artikel über die Vergangenheit des Verlegers unter dem Titel „Ein dunkler Keller“ erschienen war, ließ der 1994 mehrheitlich an Dietrich Boetticher gelangte und unter ihm 2001 an die Verlagsgruppe Random House weitergereichte Verlag diese Frage durch den Buchwissenschaftler Siegfried Lokatis in Leipzig untersuchen. Zusammen mit zwei Mitarbeiterinnen hat Lokatis den damaligen Vorgang, dass Hermann Luchterhand und sein Geschäftsführer Eduard Reifferscheid sich 1939 in die Druckerei O. H. Scholz, der wenig später mit seiner jüdischen Verlobten nach Großbritannien emigrierte, gegen 160000 Reichsmark eingekauft und sie nach Ausbürgerung des bisherigen Unternehmers während des zweiten Weltkriegs vollständig erworben hatten, 1949 deswegen aber einen langwierigen, letztlich vergleichsweise beendeten Rechtsstreit um Wiedergutmachung durchstehen mussten, geprüft. Auf der Grundlage von fünf Aktenbänden legen sie gemeinsam ihre Erkenntnisse in einem schlanken, weitgehend auf den Wiedergutmachungsprozess gegen Luchterhand konzentrierten und weitere Ausblicke vermeidenden Band vor.
Im Ergebnis musste Luchterhand Scholz 110000 Mark erstatten. Das war der Preis, für den er mit Unterstützung der Behörden Formulare, Loseblattsammlungen und Handbücher für Steuern veröffentlichen hatte lassen können. Den größten zeitweiligen Gewinn aus den an manchen Stellen kaum wirklich durchsichtigen Vorgängen hatte allerdings Eduard Reifferscheid gezogen, der sich nach 1945 als zeitweiliges Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands die Verlagsmehrheit sichern hatte können.
Innsbruck Gerhard Köbler