Lipstadt, Deborah, Der neue Antisemitismus, aus dem Englischen von Pauli, Stephan. Berlin Verlag, München 2018. 304 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Der Mensch lebt von seinen ersten Anfängen an in der Spannung zwischen Individuum und Sozialwesen, so dass er zwar ein besonderes Einzelwesen ist, aber ohne mitmenschliche Umgebung nicht bestehen kann. In diesem Rahmen bildet er ständig einzelne Vorstellungen, die er seinerseits Mitmenschen so zu vermitteln versucht, dass sie von ihnen erfasst und begeistert werden. Das führt angesichts der tatsächlichen Vielfalt wie von selbst zu Begegnungen mit Aufnahme und Ablehnung.

 

Die sich in diesem Zusammenhang mit der besonderen Thematik des Antisemitismus beschäftigende Verfasserin wurde 1947 in Manhattan in einer jüdischen Familie geboren und zu einem Bewusstsein erzogen, dass man zu Ungerechtigkeit nicht schweigen dürfe. Nach dem Studium in New York und Tätigkeiten in Los Angeles und Seattle wurde sie 2014 Dorot Professorin für moderne jüdische Geschichte und Studien über den Holocaust an der Emory University in Atlanta/Georgia. Allgemeiner bekannt wurde sie durch Arbeiten über das Verschweigen des Wissens von der Vernichtung des europäischen Judentums durch die Medien der Vereinigten Staaten von Amerika während des zweiten Weltkriegs (1986) und durch eine Geschichte der Leugnung des Holocaust (1993), auf Grund dessen es zu einer erfolglosen Klage David Irvings gegen die Verfasserin und ihren Verlag kam.

 

Gegliedert ist die grundsätzliche Untersuchung, deren englisches Original 2019 unter dem Titel Antisemitism Here and Now in New York erscheinen soll, nach einer allgemeineren Vorbemerkung in insgesamt sieben Kapitel. Sie betreffen den Antisemitismus im Sinne des Hasses auf Juden als einen Wahn, die von dem Extremisten über Steigbügelhalter und Salonantisemiten bis zu den Ahnungslosen reichenden Typen, den Antisemitismus in dem Kontext von fraglichem geistigem Versagen, Delegitimation und Rassismus, die Rationalisierung des Bösen an Hand etwa Salman Rushdies, die Holocaustleugnung von Hardcore bis Softcore, die Verteufelung Israels und die Opferrolle. In ihrem auf vielfältige Studien in den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa gegründeten Ergebnis vertritt sie die Ansicht, dass wer Juden angreift, alle demokratischen und multikulturellen Werte der Welt bekämpft und gefährdet, so dass eine Verteidigung der Juden in der allgemeinen Weltmeinung und die wünschenswerte Gewinnung der Meinungsführerschaft zugleich eine Sicherung der traditionellen Werte der westlichen Gesellschaften bedeuten kann und soll, wofür sich die Verfasserin mit aller ihr möglichen Kraft einsetzt.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler