Knopf, Jan, Bertolt Brechts Erfolgsmarke. Metzler, Stuttgart 2018. 128 S. Angezeigt von Albrecht Götz von Olenhusen.
Die neue grundlegende Studie Jan Knopfs, Professor für Literaturwissenschaft an dem KTT Karlsruhe, bedeutender Brecht-Spezialist und Leiter der Arbeitsstelle Bertolt Brecht (ABB) befasst sich, da sich die Uraufführung der „Dreigroschenoper“ jetzt zum 90. Male jährt, mit der Vorgeschichte und Erfolgsgeschichte der „Marke“ und „Firma“ Bertolt Brecht.
Dabei wird die Geschichte des Dreigroschenstoffs bei Brecht von 1928 bis 1934 (Oper, Film von G. W. Pabst, Dreigroschenprozess und Dreigroschenroman) im Kontext der dramatischen und literarischen kollektiven Arbeit des Autors im Mediensystem der Weimarer Republik wie selten eingehend und aus zahlreichen neuen Perspektiven analysiert. Das schließt die damit damals öffentlich vergleichsweise simpel diskutierten Probleme des sog. geistigen Eigentums und der zeitgenössischen Diskurse um das Urheberrecht, die „Umschmelzung geistiger Werte in Waren“ und die komplexen Fragen ein, wie sich die mehrfache mediale Verwertung des Stoffes durch seinen Schöpfer bei der intendierten radikalen politischen Nutzung der gegebenen Möglichkeiten auf dem Theater, im Rundfunk, im Film und bei den Verlagen gestaltete.
Zugleich stellt Knopf den epochalen „Dreigroschenprozess“ von Brecht und Weill 1930/1931 gegen die Nero-Filmgesellschaft (nebst Tobis und Warner Bros.), Brechts nachfolgende Analyse der Filmproduktion Pabsts, in seiner Wahrnehmung ein schändliches Machwerk der Verunstaltung, in den „Versuchen“ (1931) und den öffentlich monatelang genau beobachteten Konflikt und Prozessverlauf dar.
Dieser Essay Brechts sollte – wie die Oper – nach dem Zweiten Weltkrieg ungeahnte Folgen haben – auch in der Medienwissenschaft, von den kommerziell unvergleichlich hohen Erträgen der Oper, des Filmstoffs und der musikalischen Songs bis in die Gegenwart ganz zu schweigen.
Die tiefgründigen Einsichten in Brechts Produktionen, seine politischen Intentionen und seine filmischen, höchst modernen bis heute nachwirkenden Vorstellungen von adäquater Umsetzung eines Stoffes in die jeweils nötige Form, die vom Verfasser geboten werden, sind von höchstem filmhistorischen und rechtshistorischem Interesse. Sie zeigen den Dramatiker und Autor Brecht – auch im Zusammenwirken mit dem Komponisten Kurt Weill - in einem nicht leicht zu durchschauenden Geflecht von kollektiven Produktionen, individuellen Verträgen mit Theatern, Verlagen und Filmindustrie, internen wie externen Konflikten um Rechte, um Mitwirkung des Autors im Filmbereich und um das künstlerische droit moral bis hin zu den Verfahren vor der Weigert’schen Filmkammer des Landgerichts Berlin und den Berufungsverfahren bei dem Kammergericht und den phänomenalen Inszenierungen der Öffentlichkeit 1930/1931 bei den Diskursen um E- und U-Kunst, um die „Anti-Oper“, die den „Tanz auf dem Vulkan des maroden Kapitalismus“ bediente (S.80), um die Ästhetik von Realitätsdarstellungen und um den „Abbau“ von Kunst im Produktionsprozess von Filmindustrie und Rechtswesen. Die Causa wurde damals von allen bedeutenden Filmkritikern, Journalisten und Autoren, von Siegfried Kracauer bis Lotte Eisner, um nur diese zwei zu nennen, aufs Genaueste registriert und kommentiert.
Die Studie weist überdies zurück etwa auf Brechts „Mann ist Mann“ als Schlüsselstück von Weimar, auf seine zeitgenössischen Versuche, die „Apparate“ wie Theater, Rundfunk und Film umzufunktionieren und weist voraus auf die Gegenwart, wie unter heutigen Verhältnissen ein Film diesen Stoff Brecht-angemessen realisieren könnte und sollte.
Jan Knopf veröffentlicht mit zahlreichen höchst lesenswerten Exkursen zugleich ein modernes Treatment für einen bislang nicht produzierten Dreigroschenfilm, wie er heute Brechts Theorien und Thesen entsprechen könnte. Erstmals werden dabei auch Caspar Nehers unbekannte Zeichnungen u. a. zur Dreigroschenoper vorgestellt.
Düsseldorf Albrecht Götz von Olenhusen