Jüdische Identitäten und antisemitische Politiken im österreichischen Parlament 1861-1933, hg. v. Stachowitsch, Saskia/Kreisky, Eva. Böhlau, Wien 2017. 260 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Nach der Einführung des vorliegenden, dem Gedenken an Barbara Prammer gewidmeten Sammelwerks wurde die Geschichte parlamentarischer Institutionen in Österreich bereits in zahlreichen Studien aufgearbeitet. Jedenfalls nicht systematisch untersucht wurden dabei die zahlreichen Überschneidungen und oftmals widersprüchlichen Verzahnungen der jüdisch-österreichischen Geschichte mit der Entstehung und Entwicklung parlamentarischer Demokratie. Dementsprechend will das Buch die Zusammenhänge zwischen jüdischer politischer Geschichte und den Entwicklungen der parlamentarischen Demokratie in Österreich ermitteln.

 

Gegliedert ist es in insgesamt sieben Abschnitte. Sie betreffen die politikwissenschaftliche Analyse jüdischer politischer Repräsentation und Partizipation, die jüdischen Staatsperspektiven (Kosmopolitismus, Assimilationismus, Zionismus), die Parlamentarismusentwicklung und politische Integration von Juden und Jüdinnen in Österreich, Antisemitismus und jüdische Politik in dem Parlament (Gewerbepolitik, Migrationspolitik, Nationalitätenkonflikte und Sprachenkonflikte, Pressepolitik, Wahlrechtsdebatten, Wissenschaftspolitik und Hochschulpolitik), jüdische Repräsentation und Antisemitismus im Herrenhaus des Reichsrats 1861-1918, Biographien (Heinrich Allina, Rudolf Auspitz, Joseph Samuel Bloch, Hildegard Burjan, Emil Byk, Julius Deutsch, Hermann Diamand, Heinrich Jaques, Ignaz Kuranda, Josef Redlich, Anselm Salomon Rothschild, Louis Nathaniel Rothschild, Therese Schlesinger, Benno Strauche, Robert Stricker) und Einschlüsse und Ausschlüsse von Juden und Jüdinnen in Politik und Rhetorik des österreichischen Nationalrats nach 1945. Ein Literaturnachweis und ein Anhang runden das eine bisherige Lücke schließende Werk benutzerfreundlich ab.

 

Danach finden sich knapp hundert jüdische bzw. jüdisch geborene Abgeordnete des Reichsrats der Monarchie und des Nationalrats der ersten Republik von Friedrich Adler bis Leo Winter. Ihnen stehen 25 Mitglieder des Herrenhauses zwischen 1861 und dem Ende des ersten Weltkriegs gegenüber. Insgesamt haben damit die beiden an dem Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien tätigen Herausgeberinnen eine optimale Grundlage für die Einschätzung der Bedeutung von Judentum und Antisemitismus in dem Parlament Österreichs von 1861 bis 1933 gelegt, die künftige Forschungen zu einem sicheren Ausgangspunkt nehmen können.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler