Jilge, Britta, Kurkölnisches Erbrecht und ius commune (= Augsburger Schriften zur Rechtsgeschichte 28). Lit, Berlin 2016. XIV, 193 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Das Erbrecht ist in der Geschichte der Menschheit die Folge von besonderen Rechten des Einzelnen an einzelnen Sachen und später auch einzelnen Rechten. Mit der ausschließlichen Zuordnung eines Faustkeils zu einem bestimmten Menschen stellte sich von selbst die Frage, was damit in dem Augenblick des Todes des Trägers geschehen konnte, sollte oder durfte. Dementsprechend haben sich grundsätzlich in allen menschlichen Kulturen diesbezügliche Regeln entwickelt, die freilich in dem Einzelnen unterschiedlich gestaltet sein konnten.

 

Mit einem Einzelaspekt dieser allgemeinen Gegebenheit beschäftigt sich die vorliegende von Christoph Becker angeregte und betreute Dissertation, die in ihren Quellen auch vier handschriftliche Darlegungen von Heinrich Gottfried Wilhelm Daniels berücksichtigen konnte. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über ius commune und seine Bedeutung für die Territorialgesetzgebung sowie über die kurkölnische Rechtsordnung von 1663 in vier Sachkapitel. Sie betreffen die Intestaterbfolge, das Ehegattenerbrecht, das Testamentsrecht und das Pflichtteilsrecht.

 

In dem ansprechenden Ergebnis der Verfasserin ist die Rechtordnung von 1663, der in Kurköln wie in vielen anderen Territorien des Heiligen römischen Reiches ein Zustand „ohne Aufzeichnung seiner Gesetze vor dem 16. Jahrhundert und danach die erste offizielle Aufzeichnung des Landesrechts in Kurköln in der Form der kurkölnischen Reformation von 1538 vorausgehen (vgl. dazu die unvollständige Anmerkung 52 der Verfasserin Die Reformation wird unter dem Titel „des Erzstifftes Köln Reformation dere weltlicher Gericht – Rechts u. Pollizei“ Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Band 2, S. 396.), ein typisches Gesetz seiner Zeit, das durch die Regelungen des gemeinen Rechtes ergänzt wird, aber in keinem Fall rein römisches Erbrecht, das nur als kurkölnisches Recht ausgegeben wird. In dem Intestaterbrecht und dem Pflichtteilsrecht „gilt“ dem Grunde nach das gemeine Recht und werden nur besondere Einzelfälle abweichend geregelt. Demgegenüber sind Ehegattenerbrecht und Testamentsrecht abweichend von dem ius commune geregelt, wobei allerdings die Ursachen für Änderungen des kurkölnischen Rechtes in dem Vergleich zu dem gemeinen Recht bei dem Testamentsrecht und dem Ehegattenerbrecht verschieden sind und auch die Ausgestaltung der abweichenden Regelungen in dem Testamentsrecht und Ehegattenerbrecht verschieden erfolgte und „die signifikanteste Änderung des kurkölnischen zum gemeinen Intestater-brecht (!) die Regelung bezüglich der Erbschaft von Immobilien“ betrifft.

 

„Während die Änderungen des Ehegattenerbrechts eher praktischer Natur waren, liegen die bedeutendsten rechtlichen Differenzen zum gemeinen Recht (in systematischer und dogmatischer Hinsicht) innerhalb des Testamentsrechtes. Durch die Abschaffung des Grundsatzes nemo pro parte testatus pro parte decedere potest (!) und dem daraus folgendem (!) möglichen Nebeneinander der testamentarischen und gesetzlichen Erbfolge, handelt es sich bei dem kurkölnischen Erbrecht um ein grundverschiedenes erbrechtliches System. Dieser Unterschied zeigt sich auch in verschiedenen Aspekten hinsichtlich der Anforderungen an die Testamentserstellung, insbesondere die Abschaffung der klaren Abgrenzung zwischen Kodizill und Testament und des Erfordernisses der Erbeinsetzung“ (!).

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler