Hermann, Stefanie, Die Entwicklung von Urheberrechtsbewusstsein sowie das Aufkommen urheberrechtlicher Regelungen in Deutschland (= Studien zum gewerblichen Rechtsschutz und zum Urheberrecht 135). Kovač, Hamburg 2017. 409 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Seit seiner Entstehung hat sich der Mensch in vielfacher Hinsicht entwickelt und zu der Verbesserung seiner Lebensbedingungen zahlreiche zusätzliche Verhaltensweisen und Hilfsmittel gebildet, zu denen etwa Sesshaftwerdung, Ackerbau, Viehzucht, Hausbau, Metallbearbeitung, Schifffahrt oder die Erfindung des Rades sowie der Schrift und zahllose andere Gegebenheiten gezählt werden können. Wem eine entsprechende Neuheit wo, wann, wie und warum gelungen ist, entzieht sich in den Einzelheiten dem Wissen der Gegenwart weitgehend. Die Verbreitung der jeweiligen neuen Fertigkeiten erfolgte aber wohl meist durch einfaches Sehen und Nachahmen und in der Regel kämpfte der Urheber dagegen auch mangels Interesse und vielleicht auch Erfolgsaussicht nicht an, doch hat sich dies bis zu der Gegenwart grundsätzlich verändert.
Mit einem allgemeinen Teilaspekt dieser Entwicklung beschäftigt sich die von Anja Steinbeck betreute, zwischen 2013 und 2015 erarbeitete und in dem Sommersemester 2016 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln angenommene Dissertation der ab Oktober 2005 in Germanistik und Anglistik sowie Rechtswissenschaft in Köln und Bonn ausgebildeten Verfasserin. Sie ist in Einführung (Ziel und Gegenstand, Gang der Darstellung und Methodik), Untersuchung und Schluss dreigeteilt. Der Hauptteil ist chronologisch in die römische Antike und das Mittelalter als Zeit der Mündlichkeit und der Handschriften, das 15. Jahrhundert als die erste Zeit des Buchdrucks, das 16./17. Jahrhundert als die Zeit des Druckprivilegienwesens, das 18. Jahrhundert als die Zeit des Nachdrucks und der Aufklärung und die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts als den Beginn der urheberrechtlichen Gesetzgebung gegliedert.
Auf diesem langen Weg geht die Verfasserin besonders etwa auf Albrecht Dürer, Erasmus von Rotterdam. Martin Luther, Conrad Lagus, Christian Thomasius, Hermann Boerhave, Johannes Sleidanus, Hyronymus Brunschwyg, Hans Jacob Christoph von Grimmelshausen, Jakob Thomasius, die Lehre von dem geistigen Eigentum, Justus Henning Böhmer, Nicolaus Hieronymus Grundling, Johann Abraham Birnbaum, Johann Rudolf Thurneysen, Gotthold Ephraim Lessing, Philipp Erasmus Reich, Johann Albert Heinrich Reimarus, Johann Stephan Pütter, Johann Georg Heinrich Feder, Christoph Martin Wieland, Heinrich Godfried Scheidemantel, Martin Ehlers, Johann Jakob Cella, Johann Gottfried Dyk, Johann August Schlettwein, Immanuel Kant, Rudolph Zacharias Becker, Gottlob August Tittel, Adolph Freyherr von Knigge, Johann Gottlob Fichte, Ernst Martin Gräff, Gustav Alexander Bielitz, auf Rechtsgutachten der juristischen Fakultäten in Leipzig, Wittenberg, Jena, Gießen, Helmstedt und Erfurt sowie urheberrechtliche Regelungen in Baden (Verordnung von 1806, Landrecht von 1809), Österreich (1806/1812), Bayern (1813 Strafgesetzbuch, 1840 Urheberrechtsgesetz), Nassau (1814), Württemberg (Reskript 1815), Frankreich, Gegenseitigkeitsvereinbarungen (1827-1829), Hessen (1830), Preußen (1837), Beschlüsse der Bundesversammlung zwischen 1832 und 1857 sowie Äußerungen und Ansichten Joseph Dûprées (1811), Joseph Carl Schmids (1813), Ludwig Friedrich Griesingers (1821), Leopold Joseph Neustetels (1824), Johann Heinrich Benders (1824), Karl Salomo Zachariäs (1804/1826), Heinrich Ludens (1814), Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1821), Johann Wolfgang Goethes, Jean Pauls (1827) und Heinrich Heines ein. Dabei kann sie feststellen, dass bereits in römischer Zeit ein Urheberrechtsbewusstsein nachweisbar ist, aber ein Bewusstsein für vermögensrechtliche Befugnisse der Urheber in dieser Zeit, in dem Mittelalter sowie in dem 16./17. Jahrhundert noch völlig fehlte und erst in dem 18. Jahrhundert in Zusammenhang mit Autorenhonoraren in Verlagsverträgen, mit denen die von dem Verlag lebenden und deswegen an Gewinnerzielung interessierten Verleger die Autoren auf diese Erwerbsmöglichkeiten aufmerksam machen und an ihnen beteiligen, sichtbar wird. In ihrem Ergebnis weist die Verfasserin ansprechend darauf hin, dass in dem Rahmen der bisher ständig gewachsenen Publikationsindustrie auf Grund der zunehmenden Schutzerweiterung und der Regelungskomplexität der gegenwärtige Akzeptanzverlust des Urheberrechts nicht verwundern kann.
Innsbruck Gerhard Köbler