Erdmann, Paul, Rotarier unterm Hakenkreuz. Anpassung und Widerstand in Stuttgart und München. Historische Ermittlungen, ethische Einschätzungen. Salier Verlag, Leipzig 2018. 980 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
An dem 23. Februar 1905 gründete der in Racine/Wisconsin an dem 19. April 1868 geborene, an der Universität von Iowa ausgebildete Jurist Paul Percy Harris, der sich nach unterschiedlichsten Tätigkeiten und ausgedehnten Reisen nach Europa 1896 als Rechtanwalt in Chicago niedergelassen hatte, zusammen mit dem Kohlenhändler Sylvester Schiele, dem Bergbauingenieur Gustav Löhr und dem Schneidermeister Hiram Shorey einen Rotary Club als einen Ort der Zusammenkunft und Freundschaft. Ziel war es, in der anonymen Großstadt freundschaftliche Verbindungen zu anderen Geschäftsleuten aufzubauen. Wegen des damit verbundenen Erfolges entstand hieraus in 166 Staaten eine internationale Gemeinschaft aus Angehörigen verschiedener Berufe mit rund 1,2 Millionen Mitgliedern in mehr als 34000 Clubs, die sich nach eigenen Bekundungen humanitäre Dienste, Einsatz für Frieden und Völkerverständigung sowie Dienstbereitschaft im täglichen Leben zum Ziel setzen und Wahrheit, Fairness für alle Beteiligten, Förderung von Freundschaft und gutem Willen wie Dienst an dem Wohle aller Beteiligten anstreben.
Mit der tatsächlichen Entwicklung in Stuttgart und München beschäftigt sich das vorliegende Werk des evangelischen Theologen und früheren Studiendirekttors an dem staatlichen Seminar für Schulpädagogik Paul Erdmann. Es gliedert sich auf der Grundlage umfangreichen Quellenmaterials in insgesamt acht Abschnitte. Diese betreffen Rotary in Deutschland unter nationalsozialistischer Herrschaft, den Rotary Club Stuttgart (vor, unter und nach der nationalsozialistischen Diktatur) in erster Ermittlung, die Erweiterung des Quellenfelds und de Methodik, den Rotary Club Stuttgart vor, unter und nach der nationalsozialistischen Herrschaft in zweiter Ermittlung, den Rotary Club München vor und unter der nationalsozialistischen Diktatur in dem historischen Vergleich mit dem Rotary Club Stuttgart, den rotarischen Anspruch und das rotarische Versagen, Rotarier unter dem Hakenkreuz und (als plötzlich rotarische Freundschaft nichts mehr galt als) Erinnerung an Clemens von Franckenstein und Karl Wolfskehl.
Insgesamt kann der Verfasser zeigen, dass die Nationalsozialisten den Rotariern unterschiedlich gegenübertraten und die Rotarier in Deutschland nach 1933 fünfhundert Mitglieder von ihren Listen strichen, so dass ihre Gesamtzahl in dem Deutschen Reich und in Österreich (um mehr als ein Viertel) auf 1200 sank. Im Detail betrachtet der Verfasser die von 34 auf 54 Mitlieder steigenden und die von 57 auf 50 Mitglieder sinkenden Rotarier in Stuttgart und München, die allerdings nicht in einem Personenregister aufgeschlossen werden. Dass sich die Rotarier, deren Clubs sich in dem Deutschen Reich an dem 4. September 1937 mit Wirkung zu dem 15. Oktober 1937 auflösten, in Anpassung und Widerstand entscheidend anders verhalten hätten als andere deutsch-österreichische Eliten dieser Zeit wird trotz der hehren verbalen Bekenntnisse der Grundregeln nicht erkennbar.
Innsbruck Gerhard Köbler