Edictum Theoderici regis – Das „Gesetzbuch“ des Ostgotenkönigs Theoderich des Großen – Zweisprachige Gesamtausgabe Lateinisch und deutsch –Mit Einleitung und Kommentar, hg. v. König, Ingemar. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2018. 239 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Das Edictum Theoderici ist der nur durch einen frühneuzeitlichen Druck Pierre Pithous von 1579 aus vielleicht zwei seitdem verschollenen Handschriften überlieferte Rechtstext der ausgehenden Spätantike, der in 155 kurzen, zeitlich geordneten Kapiteln unter Verwendung des Codex Theodosianus, des Codex Gregorianus und des Codex Hermogenianus sowie der so genannten Paulussentenzen und der Responsen des Paulus verschiedenste Gegenstände behandelt. Streitig ist seine genaue Entstehungszeit. Umstritten ist auch die Zuordnung zu dem Ostgotenkönig Theoderich dem Großen.
Mit dem Text befasst sich das vorliegende Werk des in Saaz 1938 geborenen, von 1960 bis 1967 in Geschichte, Romanistik (französisch) und Germanistik in Tübingen, Genf und Bern ausgebildeten, in Tübingen 1967 mit einer Dissertation über die Meilensteine der Gallia Narbonenis in dem Straßenwesen promovierten, anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Seminar für alte Geschichte und Epigraphik der Universität Bern und ab 1972 als akademischer Rat an der Universität Trier tätigen, dort 1983 habilitierten und ab 1988 als außerplanmäßiger Professor wirkenden, seit 2004 in dem Ruhestand forschenden Herausgebers. Er will, um das von ihm festgestellte wachsende Interesse an Theoderich dem Großen weiter zu unterstützen, nach seinem Vorwort erstmals eine eher für den Historiker als den Juristen gedachte „deutsche zweisprachige“ Ausgabe des Edictum vorlegen, bei dem sich der Kommentar auf den reinen Inhalt der Edikte beschränkt und nicht die juristische Frage der Rechtsabfolge und Rechtsbezüge ansprechen oder gar diskutieren will. Aus diesem Grunde wurde der Text dem klassischen Werk der Fontes Iuris Romani Anteiustiniani entnommen, wobei die Ausgabe Friedrich Bluhmes in den Monumenta Germaniae Historica hinzugezogen wurde, auf welcher der verwendete Text beruht, wobei auf eine Überprüfung der in den beiden Ausgaben gebotenen Verweise auf erkennbare Bezüge zu früheren römischen Gesetzen oder Kommentaren verzichtet wurde.
Die verdienstvolle Edition des Herausgers beginnt mit einer Einleitung, in der berichtet wird, dass Pierre Pithou an dem 13. Dezember 1578 Edouard Molé mitteilte, dass er dem Buchhändler und Verleger Sébastien Nivelles (Sebastianus Nivellius) für dessen Drucklegung einer Ausgabe von Werken Cassiodors auf dessen Bitten ein Manuskript eines „Theoderici regis Edictum“ zwecks Beigabe zu der geplanten Edition gesandt habe. Pithous Freund Molé hatte „offenbar“ eine weitere Handschrift – oder nur Abschrift? – des gleichen „Edictum“, die er ebenfalls Sébastien Nivelles zuleitete, der in Paris 1579 die Edition vorlegte. Danach verlor sich die Spur des Manuskripts bzw. der Manuskripte, auch wenn Friedrich Lindenbrog das „Edictum“ 1613 ebenfalls veröffentlichte, doch dürften seine Änderungen nur auf gelehrter Emendation beruhen.
Den edierten Text Pithous sieht der Herausgeber mit der bisherigen Forschung als grundsätzlich echt an. In ausführlicher Würdigung der verschiedenen Argumente entscheidet er sich gegen eine Zuweisung des Edictum an die Westgoten und für die Zuweisung an die Ostgoten. Den Versuch, den Text einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb der Herrschaftszeit Theoderichs des Großen zuzuordnen, hält er für äußerst schwierig ja fast aussichtlos, wagt aber dann doch einen Hinweis auf einen möglichen Zusammenhang mit dem Jahre 510.
In dem Anschluss hieran bietet er eine kurze Darstellung des Inhalts. Sein Versuch einer an Gaius angelehnten Gliederung (personae, res, actiones) folgt Felix Dahn (9. Februar 1834 – 3. Januar 1912), dessen Andenken die Edition insgesamt gewidmet ist. Danach nimmt der Herausgeber noch zu der Strafzumessung Stellung, liefert eine Anmerkung zur Übersetzung und nennt die Textausgaben samt Kommentaren.
Die Edition folgt den einzelnen Kapiteln. An den lateinischen Text wird eine deutsche Übersetzung angeschlossen. Danach bietet der Herausgeber Referenz und Kommentar.
Es folgen auf den Seiten 201ff. ergänzende Texte zu ET 13, 35, 54, 68, 71, 75, 77 und 94 sowie auf den Seiten 214ff. ein Vergleich der Tituli und auf den Seiten 221ff. Quellenverweise von dem Anononymus (!) Valesianus bis zu dem Senatus consultum Velleianum und schließlich bibliographische Hinweise von dem Anonymus Valesianus bis zu Zöllners Geschichte der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts (1970). Insgesamt erweist sich die Edition deshalb als sehr nützlich und hilfreich. In dem Rahmen des vielfältigen Gesamtwerks des Herausgebers wird man sie als einen auf der Höhe der Zeit stehenden, abgewogenen Meilenstein der Edictumforschung einstufen dürfen, auf dem alle weiteren Forschungen aufbauen können werden.
Innsbruck Gerhard Köbler