Dingel, Irene, Geschichte der Reformation (= Theologische Bibliothek 5). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2018. 306 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
In der Geschichte des Universums stehen Werden und Sein als eigentlicher Gegensatz und zugleich zu einem Ganzen vereint einander gegenüber. Das Sein begann mit einem unerklärlichen Werden und aus dem Werden wird vielfach vergängliches Sein. In diesem Sinne ist auch Reformation ein Werden aus Sein in Richtung auf gewordenes Sein, weil sie die Wiedergewinnung einer verlorenen Form des Seins durch Rückkehr als Ziel hat.
Mit der besonderen Reformation in der Theologie des seit rund 2000 Jahren viele Menschen berührenden, von Jesus Christus um und in Jerusalem als eine Erlösungslehre des Menschen schlechthin begründeten Christentums beschäftigt sich die vorliegende Darstellung der in Werdohl 1956 geborenen, in evangelischer Theologie und Romanistik in Heidelberg und Paris ausgebildeten, in Heidelberg seit 1982 als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätigen, dort 1986 mit einer Dissertation über Beobachtungen zur Entwicklung des französischen Vokabulars - Petit Larousse 1968 – Petit Larousse 1981 promovierten, 1993 mit einer Schrift über die öffentlichen Diskussionen um das lutherische Konkordienwerk an dem Ende des 16. Jahrhunderts habilitierte, 1994 nach Frankfurt am Main berufene und 1998 nach Mainz gewechselte Verfasserin. Ihre Geschichte der Reformation ist eine gekürzte und verbesserte Fassung der 2016 erschienenen Veröffentlichung Reformation – Zentren – Akteure – Ereignisse und soll eine schnelle und doch fundierte Orientierung über eine hoch komplexe Zeit gewährleisten, die sich auf das Wesentliche konzentriert. Sie beschränkt sich nach dem Vorwort auf die großen Zentren der Reformation in Zentraleuropa, die entscheidenden Akteure und die ausschlaggebenden Ereignisse.
Gegliedert ist sie nach Vorwort und Einleitung in zwölf Abschnitte. Sie betreffen politische, gesellschaftliche und rechtliche Strukturen um 1500 (Ständeordnung, Verfassungsstrukturen, das Heilige römische Reich), religiöses Leben in dem Spätmittelalter und an der Schwelle zur frühen Neuzeit (Kirche, Papsttum, Klerus, Mystik, devotio moderna, Volksfrömmigkeit, Kirchenkritik und Reformansätze vor der Reformation, Renaissance und Humanismus), die Reformation in Wittenberg (Marin Luther, Philipp Melanchthon), die Reformation in Zürich (Ulrich Zwingli), Kontroversen und Abgrenzung, reformatorischer Dissent, die Reformation in Straßburg (Martin Bucer), Reformation und Reichspolitik (römischer Prozess, Worms 1521, Speyer 1526, Speyer 1529, Augsburg 1530, schmalkaldischer Bund), Ringen um Konsens (1536, 1537, 1540/1541), Krieg und Frieden (1524-1526, 1546/1547, 1548, 1552, 1555), die Reformation in Genf (Jean Calvin) und reformatorische Transformationen mit nachhaltigen Wirkungen und tiefgreifenden Veränderungen in Kirche, Frömmigkeit, Politik, Recht, Gesellschaft und Kultur durch neue Antworten aus alte Fragen an Hand des Wortes Gottes. Hinweise auf die wichtigsten Quellen und Literaturwerke runden den überzeugenden Überblick über eine wesentliche Ursache der Veränderung von dem Mittelalter zu der Neuzeit ansprechend ab.
Innsbruck Gerhard Köbler