Decker, Oliver, Die Entstehung der bayerischen Notariate – Politikum und Institutionalisierung. Notariat und Notariatsgesetzgebung im Königreich Bayern 1848 bis 1862 (= Rechtsgeschichtliche Studien 79). Kovač, Hamburg 2018. 434 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. 153,50 Euro
Notar ist das (vom Staat) zur Wahrnehmung bestimmter Rechtspflegeaufgaben (z. B. Verfertigen vollbeweiskräftiger und vollstreckbarer Urkunden) bestellte unabhängige Organ der Rechtspflege. Der N. entwickelt sich aus dem spätantiken Schreiber (Schnellschreiber) bzw. Tabellionar. Er erscheint am Beginn des Hochmittelalters (10./11. Jh.) in Oberitalien, im frühen 13. Jahrhundert in Frankreich und ab 1275 auch in dem Heiligen römischen Reich, ist aber zunächst kein ausschließlicher Beruf, wobei sich im Übrigen später Gebiete des Nurnotariats (z. B. Bayern, Österreich) neben Gebieten des Anwaltsnotariates (z. B. Hessen) oder des beamteten Bezirksnotariats (Württemberg) entwickeln.
Das vorliegende Werk behandelt einen spezifischen Aspekt der Problematik. Es hat unmittelbar nach Erscheinen das Interesse einzelner Sachkenner erregt. Deswegen genügt an dieser Stelle ein schlichter formaler Hinweis.
Gegliedert ist die von Hans-Georg Hermann betreute, 2017 in München als Dissertation angenommene Studie des als Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator (CVM) tätigen in zwölf Abschnitte. Sie betreffen nach einer kurzen Einleitung die Vorgeschichte, das Notariatsgesetz von 1851, die lückenfüllenden Gesetze nach dem Scheitern des Notariatsgesetzes, das Notariatsgesetz von 1861, den Versuch , das selbständige Notariat unter absolute staatliche (!) Kontrolle zu halten und dessen Folgen, den Zugang der Juden zum bayerischen Notariat, das Tax- und Stempelwesen sowie den Lohn der Notare, die Notariatssitze in den einzelnen Kreisen, einen Schluss ein Literaturverzeichnis und einen Anhang in sieben Abteilungen. Insgesamt will die Dissertation die Frage wie (!) sich ein derart aus dem Staatsgefüge, der Gerichtsbarkeit und der Verwaltungshierarchie herausgelöster, selbständiger, hoch bezahlter und gleichzeitig anerkannter Berufsstand aus den Wirren des 19. Jahrhunderts mit seinem monarchischen Prinzip, Ständestaat sowie seinen Untertan- und Abhängigkeitsverhältnissen etablieren konnte.
Innsbruck Gerhard Köbler