Das Gold der Deutschen, für die Deutsche Bundesbank hg. v. Thiele, Carl-Ludwig. Hirmer, München 2018. 160 S., Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.

 

Deutschland verfügt nach den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) über den zweitgrößten Goldbestand der Welt. Bis 2012 war die Informationspolitik der Deutschen Bundesbank in Bezug auf diesen Schatz aus Sicherheitsgründen zurückhaltend. Als im Zuge der Finanzkrise und Staatsschuldenkrise öffentlich vermehrt Zweifel an dessen tatsächlichem Vorhandensein geäußert wurden, entschloss sich der Vorstand, mit einer Transparenzoffensive den Gerüchten wirksam entgegenzutreten. Der vorliegende Band informiert nunmehr umfassend über Umfang, Dislokation und Verwaltung der deutschen Goldreserven und liefert ergänzend Wissenswertes zu den Komplexen „Gold als Zahlungsmittel“ (Hendrik Mäkeler), „Gold als Reserve“ (Wolfgang Schulte) und „Gold als Metall“ (Wolfgang Schulte, Roland Zils). Unter den qualitativ hochwertigen Illustrationen ragen vor allem die beeindruckenden Abbildungen unterschiedlicher Typen von Goldbarren aus dem Bestand der Bundesbank heraus. Graphisch vorbildlich aufbereitete Tabellen und Diagramme stellen auf lichtblauem Hintergrund relevantes Datenmaterial anschaulich zur Verfügung.

 

Die moderne Geschichte des deutschen Goldes beginnt mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Restbestände der von den Nationalsozialisten zu einem erheblichen Teil den Zentralbanken besetzter Länder enteigneten Goldbestände wurden von den Alliierten sichergestellt und den Geschädigten refundiert, sodass bei der Bank deutscher Länder, der Vorgängerin der Deutschen Bundesbank (ab 1957), erst 1951 mit ca. 24,5 Tonnen die ersten Goldbestände der Nachkriegszeit auf der Aktivseite aufscheinen. Die im Zuge der Bestrebungen zur Vertiefung der ökonomischen Integration Europas 1950 ins Leben gerufene und bis 1959 bestehende Europäische Zahlungsunion (EZU) hatte über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) die Zahlungsbilanzüberschüsse und Zahlungsbilanzdefizite der Mitgliedsländer gegeneinander aufzurechnen. „Über den regelmäßigen monatlichen Verrechnungsmechanismus […] flossen der Bank deutscher Länder bzw. der Deutschen Bundesbank bis zum Ende der EZU rund 1584 Tonnen Gold zu. Während der darauffolgenden Jahre erhielt Deutschland über das Europäische Währungsabkommen (EWA) bis 1966 nochmals weitere ca. 12 Tonnen Gold“ (S. 79). Für erhebliche Zuflüsse sorgte vor allem das 1944 mit der Gründung des Internationalen Währungsfonds (IWF) geschaffene, bis 1973 bestehende System von Bretton Woods: „(D)er US-Dollar und das Gold […] waren in einem festen Austauschverhältnis, der sogenannten Parität, miteinander verknüpft. Diese Parität wurde an den Wert einer Feinunze Gold (ozf) zum 1. Juli 1944 fixiert, die bei 1 ozf = 35 USD lag. Die USA verpflichteten sich gegenüber den Mitgliedsländern dieses Währungssystems, US-Dollar gegen Gold zu dieser Parität auf Anforderung einzutauschen. Jedes Mitgliedsland des Währungssystems war darüber hinaus verpflichtet, mit dem IWF für seine eigene Währung eine Parität zum US-Dollar und damit indirekt zum Gold zu vereinbaren“ (S. 80). Als Instrument des Markteingriffs bei Währungskrisen wurde 1961 von acht Notenbanken, darunter der deutschen, ein Goldpool mit einem Gesamtinterventionsbetrag von 270 Millionen US-Dollar (240 t Gold) gebildet, der zunächst vor allem auf der Käuferseite agierte, ab 1965 jedoch zu einem „Verkäufersyndikat“ (S. 83) mutierte und bei der Deutschen Bundesbank insgesamt zu einem Abfluss von 183 Tonnen Gold führte. Hingegen sind „(b)is zum offiziellen Ende des Bretton-Woods-Systems im März 1973 der Bundesbank über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich physische Goldbestände in Höhe von saldiert rund 801 Tonnen […] zugeflossen“. Die BIZ sei „während der EZU- und Bretton-Woods-Ära der mit Abstand wichtigste Geschäftspartner der Bundesbank gewesen“ und steuerte nicht zuletzt „die Verteilung der deutschen Goldbestände zwischen den Bundesbank-Lagerstellen FED [= Federal Reserve Bank of New York; W. A.], Bank of England, Bank of Canada; Schweizerische Nationalbank und Banque de France“ (S. 90). Mit der Entkoppelung des Goldes von den umlaufenden Währungen fanden nur mehr wenige Umsätze statt, so 1999 die Übertragung von 232 Tonnen Gold der Bundesbank an die Europäische Zentralbank (EZB) zu deren Ausstattung mit Währungsreserven. Zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2011 besaß die Bundesbank „3396 Tonnen Gold im Wert von 132,8 Milliarden Euro. Zum damaligen Zeitpunkt wurden 1036 Tonnen in eigenen Tresoren in Frankfurt am Main, 374 Tonnen bei der Banque de France in Paris, 450 Tonnen bei der Bank of England in London und 1536 Tonnen bei der Federal Reserve Bank of New York verwahrt“ (S. 10). Mittlerweile sind viele Gründe für diese Dislokation obsolet; eine geänderte sicherheitspolitische Lage und der gemeinsame Euro haben zum Beschluss geführt, einen beträchtlichen Teil dieser Bestände wieder nach Deutschland zu bringen, weshalb nun aktuell in den Tresoren der Bundesbank in Frankfurt am Main mit 137.000 Goldbarren im Gesamtgewicht von 1710 Tonnen mehr als die Hälfte der deutschen Goldreserven von knapp 3.400 Tonnen lagern. Das weiterhin an zwei Standorten im Ausland verbliebene deutsche Gold dient vornehmlich den Zwecken der Liquidität: „Der Goldhandelsplatz London spielt als weltgrößter Markt von Gold und auf Gold basierenden Instrumenten, etwa Goldleihegeschäfte, eine herausragende Rolle“ und der „Handelsplatz New York […] im Terminhandel mit Gold“, während in Frankfurt eine „Marktinfrastruktur […] völlig (fehlt)“ (S. 131f.). Zentralbanken würden nun, da Gold „keine geldpolitische Bedeutung mehr“ habe, „als eine von vielen Marktparteien auf(treten)“; eine markante Mehrung ihrer Goldbestände sei aber heutzutage praktisch nur mehr „an Bodenschätzen reiche(n) Länder(n)“ möglich (S. 142).

 

Die Geschichte der währungspolitischen Funktion des Goldes in der jüngeren Vergangenheit verknüpft sich mit weiteren Kontexten, die das Verständnis der Handhabung und der Faszination des gelben Edelmetalls befördern. Eines der Themen ist die Prägung von Goldmünzen von den Lydern über Alexander der Großen, Cäsar, Byzanz bis zu den Merowingern, unter denen ein Niedergang eintrat. „Das Gold fristete in den nun folgenden Jahrhunderten in den Münzsystemen Westeuropas ein Nischendasein. Im Byzantinischen Reich und auch im arabischen Raum spielte das gelbe Metall dagegen weiterhin eine wichtige Rolle. […] Die erstmalige Rückkehr zum Gold im größeren Stil unter Friedrich II. (1194 – 1250) […] ist […] eine Fortsetzung dieser langen Prägetradition“ (S. 41). Es sollten Genua, Florenz und Venedig in Oberitalien folgen, bis englische Subsidienzahlungen im Hundertjährigen Krieg „offenbar massive Auswirkungen auf das europäische Währungswesen (hatten). Bei den Zahlungsempfängern setzte in der Folge die Prägung eigener Goldmünzen ein. […] Gemeinhin scheint die Nachahmung des Florentiner Gulden von den Zeitgenossen als rechtlich einwandfrei angesehen worden zu sein“ (S. 43ff.). Unter Karl IV. sei es gelungen, „dem Königtum das Recht zur gesonderten Verleihung von Goldmünzprivilegien zu sichern“ (S. 47), Maximilian I. und Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen förderten die Produktion hochwertiger Münzen. Den Streit verschiedener Interessensgruppen um das Münzmetall legte die Augsburger Reichsmünzordnung von 1559 bei: „Die bimetallischen Ansätze […] wurden verworfen und […] Maximalkurse für das Verhältnis zwischen Gold und Silber festgelegt. Zudem ließ man acht regionale Währungen zu“ (S. 53). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangten Währungsunionen Bedeutung für das Goldmünzenwesen, so die Lateinische Münzunion (1865) und die an sie angelehnte Skandinavische Münzunion (1872). „Mit den Geprägen der Lateinischen Münzunion wurden nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 auch die Reparationen an das Deutsche Reich bezahlt. […] Die Goldmünzen brachte man sodann zur Umprägung […]. 1873 konstatierte man, dass noch Ende 1871 mit der Prägung von 10- und 20-Markstücken in Gold begonnen worden war […]. 120 Millionen Mark davon waren für den Reichskriegsschatz bestimmt, weshalb für den Umlauf 480 Millionen Mark übrigblieben“ (S. 57). Die Reichsgoldmünzen „blieben bis zum 16. August 1938 gültige Zahlungsmittel [… ,] (v)on der Bundesrepublik Deutschland wurden keine Umlaufmünzen aus Gold mehr hergestellt“ (S. 28).

 

Die weiteren Ausführungen befassen sich mit den stofflichen Eigenschaften des Goldes und den Verfahren der Gewinnung (Schwerkraftaufbereitung, Amalgamation, Cyanidlaugung), der Raffination (Miller-Prozess und Wohlwill-Elektrolyse), der Echtheitsprüfung (optische Prüfung, Dichtemessung, Atomabsorptionsspektroskopie AAS, Emissionsanalyse mittels eines Plasmas ICP, Röntgenfluoreszenzanalyse RFA, Ultraschallprüfung, Messung der elektrischen Leitfähigkeit, Klangprobe, Magnetprobe) und der Zertifizierung und Spezifizierung. Die maßgeblichen Qualitätsvorgaben für Goldbarren (Feingehalt, Barrengewicht, Barrenmarker) sind im London Good Delivery Standard (LGD) festgeschrieben, die Akkreditierung der als Refiner bezeichneten, weltweit aktuell 27 zertifizierten Veredelungsunternehmen obliegt der London Bullion Market Association (LBMA). „Ein Goldbarren, der dem von der […] LBMA gesetzten Standard entspricht, muss […] ein Gewicht von 350 bis 430 Troy-Unzen und mindestens einen Feingehalt von 995/1000 Einheiten, bestimmte Siegel auf der Oberfläche des Barrens und festgelegte Abmessungen aufweisen sowie über ein entsprechend gutes äußeres Erscheinungsbild verfügen“. Insgesamt sollen im Laufe der Geschichte bis dato 187.200 Tonnen Gold gefördert worden sein, 90 Prozent davon erst seit dem Jahr 1900. Beim derzeitigen Fördervolumen von etwa 3000 Tonnen pro Jahr dürfte sich der Abbau wirtschaftlich förderbaren Goldes in etwa 20 Jahren erschöpfen. So sei Gold „von der Menge her endlich und kann nicht beliebig vermehrt werden. Es wird niemals, ausgenommen durch Erhitzen über den Siedepunkt hinaus, durch Schmelzprozesse vernichtet, ist aber wiederverwertbar, sodass sich die bisher geförderte Menge nicht reduzieren wird“ (S. 71f.).

 

Anzunehmen ist somit, dass Gold als limitiertes Gut auch in Zukunft gefragt sein und für wertvoll gehalten werden wird. Aus einer nüchtern-philosophischen Perspektive betrachtet, ist das aber nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit. Mag man doch mit Recht die provokante Frage stellen, welcher reale Nutzen der Menschheit durch die tonnenweise Hortung dieses Metalls in streng gesicherten Bunkeranlagen eigentlich erwächst?

 

Kapfenberg                                                    Werner Augustinovic