Bachmann, Sarah A., Die kaiserliche Notariatspraxis im frühneuzeitlichen Hamburg (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich 70). Böhlau, Wien 2017. 354 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Da der Mensch vor allem ein von Eigennutz getriebenes Lebewesen ist, hat er neben der Wirklichkeit auch noch eine Scheinwirklichkeit entwickelt. Zu ihr gehören Lüge, Täuschung und Betrug. Wegen der mit ihnen verbundenen Gefahren hat sich eine Sicherung des einzelnen Lebens durch kontrollierende und korrigierende Mitmenschen als sinnvoll herausgestellt, zu denen im weitesten Sinne viele oder alle Juristen gehören können.

 

Mit einer ihrer seit vielen Jahrhunderten entstandenen Einzelgruppe beschäftigt sich die vorliegende Dissertation der 1973 geborenen, in Freiburg im Breisgau von Karin Nehlsen-von Stryk und Bernd Kannowski begeisternd ausgebildeten, von Tilman Repgen in Hamburg „quasi von der Straße zugelaufen“ weiter geförderten Verfasserin, deren Studie von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg 2015 als Dissertation angenommen wurde. Ihr Ergebnis wurde bereits von Werner Schubert als hervorragendem Sachkenner ausführlich besprochen. Deswegen genügen an dieser Stelle wenige formale Sätze.

 

Gegliedert ist die sachkundige ansprechende, auf dem Umschlag mit einer Abbildung aus dem Staatsarchiv Hamburg geschmückte Studie, die wohl auch ein auch ein aufschließendes Sachregister verdient hätte, nach einer Vorstellung der ungedruckten Quellen, der gedruckten Quellen und Literatur bis 1806 und der Literatur und Hilfsmittel seit 1806 in vier Sachkapitel und eine Zusammenfassung. Behandelt werden darin nacheinander Notare und ihre Schriftstücke seit dem antiken Schreibwesen, der notarielle Urkundenbeweis mit der fides im Mittelpunkt und die Freiheitswahrung als Grund für die Etablierung des kaiserlichen Notariats in Hamburg. In ihrem abschließenden Ergebnis zeigt die Auswertung von Testamenten, dass sich die kaiserlichen Notare, von denen die Verfasser in ihrem Anhang für die Zeit von 1500 bis 1700 fast 150 namentlich aufführt trotz der vorhandenen Ratsschreiberei behaupten konnten, weil ihre Urkunden der Umgehung von Einflussnahmen bei der Beurkundung im hamburgischen Bereich dienten und die „notarielle Urkundenform in Hamburg die geschworene Feindin der Willkür und die Zwillingsschwester der Freiheit war“.

 

Innsbruck                                           Gerhard Köbler