Vierzig (40) Jahre Familienrechtsreform, hg. v. Götz, Isabell/Schnitzler, Klaus. Beck, München 2017. XII, 371 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Welt, der Mensch und das Recht gleichen sich in der Geschichtlichkeit ihres Werdens, Seins und Vergehens. Sie durchlaufen Zeitabschnitte von Dauer und Wandel, ohne dass sich diese jeweils lange Zeit vorhersagen oder inhaltlich bestimmen lassen. Was durch Jahrtausende oder Jahrhunderte festen Bestand hatte, kann wie durch Eruptionen von Vulkanen in überraschend kurzer Zeit Form und Inhalt weitgehend und nachhaltig verändern, um danach wieder länger in der neuen Gestalt zu verbleiben oder sich doch noch weiter zu verändern.

 

Nach dem kurzen Vorwort der als vorsitzende Richterin an dem Oberlandesgericht München und als Rechtsanwalt in Euskirchen tätigen Herausgeber trat an dem 1. Juli 1977 das erste Eherechtsreformgesetz in Kraft, nachdem sich bereits die französische Revolution des Jahres 1789 für die Gleichheit aller Menschen ausgesprochen hatte. Erst jetzt wich (außer der Vorherrschaft des Mannes) die schon lange kritisierte Verschuldensscheidung der Ehe zwischen Mann und Frau dem Zerrüttungsprinzip und der Versorgungsausgleich wurde hauptsächlich zur Besserstellung der nicht berufstätigen Ehefrau eingeführt. Die Familiengerichte als eigenständiger Zweig der Zivilgerichtsbarkeit waren nunmehr für alle Familiensachen von der Ehescheidung über Kindschaftsrechtsregelungen bis zu Unterhaltsstreitigkeiten zuständig, die vorher von unterschiedlichen Gerichten entschieden worden waren.

 

Auch wenn ein zweites Eherechtsreformgesetz nie verabschiedet wurde, wurde das Familienrecht weiter geändert. Die wichtigsten Schritte hierbei waren das erste Gesetz zur Änderung unterhaltsrechtlicher, verfahrensrechtlicher und anderer Vorschriften von dem 20. Februar 1986, das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts von dem 16. Dezember 1997, das Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder von dem 6. April 1998, das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher  Gemeinschaften bzw. Lebenspartnerschaften von dem 16. Februar 2001, das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz von dem 21. Dezember 2007, das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs von dem 3. April 2009 und das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit von dem 17. Dezember 2008 sowie brandneu und wegen des Redaktionsschlusses in dem April 2017 nicht mehr erfasst die gerade mit deutlicher Mehrheit (vielleicht auch vieler betroffener Abgeordneter) beschlossene Ehe zwischen Menschen desselben Geschlechts, also zwischen Männern und zwischen Frauen.

 

Wie die Herausgeber noch vor der Kenntnis dieses letzten Schrittes festhalten konnten, ist und bleibt das Familienrecht ein besonders dynamisches Rechtsgebiet, weil sich die Familienwelten gerade in den letzten vier Jahrzehnten dramatisch verändert haben und sich immer noch ändern, häufig schneller als der Gesetzgeber zu reagieren vermag. Deswegen sehen die Herausgeber in dem vierzigsten Jahrestag des Inkrafttretens des ersten Eherechtsänderungsgesetzes eine gute Gelegenheit, um die vergangenen Jahre, die Weiterentwicklung des Familienrechts und einzelne aktuelle Probleme der Gegenwart in den Blick zu nehmen. Hierzu versammeln sie nach vier Zeitzeugenberichten und einem Blick auf das Verfassungsrecht jeweils zwei Beiträge mit einem Thema aus allen wesentlichen Bereichen des Familienrechts, wobei der eine Beitrag aus einer generellen Warte, der andere jeweils bezogen auf aktuelle Einzelfragen aus der Praxis mit Blick in die Zukunft erfolgt.

 

Zeitzeugen sind Uwe Diederichsen, Dieter Schwab, Lore Maria Peschel-Gutzeit und Siegfried Willutzki. Im Hauptteil kommen nacheinander Gabriele Britz, Rolf Schlünder, Renata von Pückler, Klaus Schnitzler, Regina Bömelburg, Gabriele Ey, Birgit Niepmann, Andreas Frank, Wolfgang Keuter, Beatrix Weber-Monecke, Heinrich Schürmann, Martin Menne, Roger Schilling, Reinhardt Wever, Gerd Brudermüller, Mathias Grandel, Dirk Hoffmann, Michael Coester, Isabell Götz, Monika Clausius, Jörg Kleinwegener, Andreas Holzwarth, Walther Siede, Heribert Grziwotz, Anatol Dutta, Kerstin Niethammer-Jürgens und Christain Seiler zu den unterschiedlichsten Fragen von dem Verhältnis von Familienrechtsreform und Verfassungsrecht bis zu minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen zu Wort. Verdient hätte der interessante und wichtige Band, in dem ganz entgegen dem Zeittrend und wahrscheinlich auch der Zukunft die Männer in der weiblichen iustitia noch deutlich überwiegen, auch ein benutzerfreundliches Sachverzeichnis.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler