Scholz, Juliane, Der Drehbuchautor. USA-Deutschland. Ein historischer Vergleich. transcript, Bielefeld 2016. 412 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.

 

 

Der Drehbuchautor ist eine im Urheberrecht und im Vertragsrecht vernachlässigte Figur. Zwischen dem Autor des vorbestehenden Werkes und dem Regisseur wie dem Produzenten fristet er faktisch wie rechtlich ein etwas marginalisiertes Dasein. Die interessante sozialgeschichtliche Arbeit zur Entwicklung und Rolle des Drehbuchautors im Kontext der Filmentwicklung, wohl die erste dieser Art, vermittelt dem unbekannten Wesen durchaus plastische historische Kontur. Die Verfasserin liefert damit auch für Rechtsgeschichte, Dogmatik und Rechtspolitik systematisch ermitteltes anschauliches Material. Als Angestellter, als arbeitnehmerähnlicher oder freier Urheber tritt er meist mit seinen multilateralen Abhängigkeiten und Sachzwängen hinter die publikumswirksamen Schauspieler und Regisseure zurück. Wie unterschiedlich sich die Normbasis und die Vertragbasis, der professionelle und soziale Status in den USA mit der doch anderen Filmwirtschaftsgeschichte darstellen, wird ebenso deutlich wie die dort wirksameren Strategien der Gewerkschaften bis hin zu sehr effektiven Autorenstreiks. An prägnanten Beispielen der Filmgeschichte werden auch Strukturen verdeutlicht. Die erheblichen Unterschiede der Länder, aber auch der Gesellschaftsordnungen in Hollywood, bei der UFA und in Babelsberg nach 1933 und schließlich in der Deutschen Demokratischen Republik bewirkten sehr differierende Produktionsbedingungen und Zensurbedingungen. Für eine reale Einschätzung wären die ausführlicheren, quantitativen Entwicklungslinien noch besser geeignet gewesen. Die Zahlen der Berufsverbände allein könnten die Gewichte verschieben. Was an Statistiken bezüglich Status und Honorare bisher vorliegt, täuscht manchmal darüber hinweg, dass in diesem Feld nur ein höchst professioneller Numerus clausus mit permanenter auskömmlicher Beschäftigung, bis in die heutige Zeit, rechnen konnte und kann.

 

Dieser Kreativberuf professionalisiert sich durchaus nicht gleichzeitig, gleichartig und mehr oder weniger erfolgreich in der Stummfilmära und der Tonfilmära. Nach dem Einzug der neuen Tontechniken finden sich sehr verschiedenartige Typen: In den USA und in Deutschland gibt es den Nur-Drehbuchautor als Beruf, aber auch Schriftsteller, die zugleich erfolgreich als Drehbuchverfasser wirken wie etwa Budd Schulberg. Dessen „Schlüsselroman“ „What Makes Sammy Run?“ lieferte ein krasses, satirisch gefärbtes, aber nicht unrealistisches Bild von Hollywood der 30er und 40er Jahre. (Der Roman ist nach dem zweiten Weltkrieg in Hollywood verfilmt worden.) Mit der zunehmenden Verfilmung von Romanen oder Novellen, mit der Entwicklung trivialerer Unterhaltungsfilme gehen je nach dem Ausmaß der Politisierung auch Eingriffe des Staates einher. Die lange Wirksamkeit der strengen Ethik-Codes in den USA haben ihr Pendant dann in der brachialen Zensur und dem finanziellen Protektorat durch das nationalsozialistische Propagandaministerium und die monopolistische Filmwirtschaft nach 1933.

 

Das Werk profitiert von einer weit ausgreifenden und tiefgründig analysierten archivalischen Materialfülle. Die Längsschnitte und Querschnitte über jahrzehntelange zeitliche Perioden hinweg, unter unterschiedlichen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Basisbedingungen vermitteln ein vielfarbiges Panorama. Der Film präsentiert sich als Reflex ökonomischer und technischer Entwicklung, unterschiedlicher Mentalitäten und Materialien als Medium wie auch als Ware, als Mittel der ästhetischen Selbstverwirklichung, als wirksames Instrument von Politik und Propaganda, als Ausdruck hoher künstlerischer Ansprüche und massenhafter Unterhaltungsproduktion. Der Drehbuchautor ist dabei ein oft entbehrliches, austauschbares Rädchen einer wankelmütigen Produktionsmaschinerie. Die Differenzen zwischen einzelnen Autoren/Schauspielern- und Produzenten, Figuren wie Charlie Chaplin  und Autorenfilmern wie Werner Fassbinder, Alexander Kluge und Werner Herzog können bei mancher struktureller Ähnlichkeit sich kaum gravierender darstellen. Der oftmals auch anonyme Drehbuchautor in der nationalsozialistischen Zeit (ein bedeutendes Beispiel ist etwa Erich Kästner), der seines Autorennamens in Hollywood vom Kollegen und Produzenten beraubte Schriftsteller wie Bertolt Brecht oder der wenig autonome Drehbuchverfasser in der DDR lassen sich schwer auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Die extreme Marginalisierung in der McCarthy-Zeit in den USA ist von Exilierung, Anpassung und Anonymisierung geprägt, ein Thema, das Jahrzehnte später zum Gegenstand erfolgreicher und eindrücklich selbstkritischer Hollywood-Filme geworden ist.

 

Die Güte einer wie hier so weit gefächerten und in manche ferner liegende Felder sich verzweigenden Arbeit zeigt sich auch darin, dass die differenzierte Bearbeitung der Fragestellungen neue Fragen hervorruft. Die Leipziger Dissertation aus der Schule des Sozialhistorikers Hannes Siegrist liefert jedoch höchst beachtliche Beispiele für die Professionalisierung eines Berufs von den Anfängen der Stummfilmepoche bis zur modernen Medienindustrie, mit einer enormen Variationsbreite zwischen der Blütezeit des deutschen Expressionismus und der Perpetuierung von Happyends und Gewaltverherrlichung in der so genannten Moderne.

 

Angesichts dieser mit Sinn für bezeichnende Details und der Fähigkeit zur Generalisierung fällt der geringere theoretisch-systematische Anspruch nicht ins Gewicht. Denn im Leben (des Drehbuchautors) geht es nach den Worten Alfred Polgars eben zu „wie im Leben und nicht wie im Tonfilm“.

 

Freiburg im Breisgau/Düsseldorf                                           Albrecht Götz von Olenhusen